Sehr geehrter Herr Peters,
seit Sahra Wagenknechts Kritik am Sondierungspapier in Thüringen schlägt ihr die Unbill der Medien massiv entgegen.
Den Vogel schießt zweifellos Michael Deutschmann in der BILD-Zeitung mit seinem Artikel "Regieren mit dem BSW: Nimmt Wagenknecht Deutschland in den Würgegriff?" ab (1.11.2024). Deutschmann übertreibt, denn derzeit geht es - lediglich - um Thüringen. Und er erweckt den Eindruck, das BSW sei lediglich auf der Welt, um der CDU an die Macht zu verhelfen, wenn er schreibt: "Sie (Wagenknecht, W.R.) hat auch das Schicksal von gleich zwei ostdeutschen CDU-Landesfürsten in der Hand." Er kommt nicht ohne Verunglimpfung aus, indem er den Bogen von Wagenknecht zur "SED-Nachfolgepartei PDS" und zur "Kommunistischen Plattform" schlägt und zu Lenins "Partei neuen Typus". Offenbar glaubt er, dass die Reaktivierung antikommunistischer Ressentiments im politischen Tagesgeschäft immer noch von Nutzen ist. Er nennt Wagenknecht "Große Vorsitzende" und öffnet damit den Assoziationsraum zum "großen Steuermann" Mao Tse-Tung, der in der deutschen Presse nicht das beste Renommee hat.
Aus gleichem Holz geschnitzt ist Sascha Lobos Artikel "Sahra Wagenknechts Neusprech" im Spiegel vom 30.10.2024. Er kommt zur Sache: "BSW-Cherfin Sahra Wagenknecht ist ein Putin-Proxy. Sie will das heutige Deutschland nicht verändern, sondern implodieren lassen. Nur nennt sie das alles ganz anders."
Diffamierend auch Jacques Schuster in der Welt am Sonntag vom 01.11.2024 in seinem Artikel "Wagenknecht und die Methoden einer stalinistischen Kaderpartei": Wagenknecht habe "ihre Kettenhunde" auf Katja Wolf losgelassen, von den Mitgliedern ihrer Partei erwarte sie "pudelhafte Dankbarkeit".
Leider verzichten Sie, Herr Peters, in Ihrem Kommentar "Widerspruch ist bei Wagenknecht nicht erwünscht" nicht auf diffamierende Passagen. So bezeichnen Sie Wagenknecht ebenfalls als "große Vorsitzende", sprechen von ihren "ergebenen Jünger(n)" und "treuen Vasallen", und der Hinweis auf "das Ehepaar Lafontaine" ist vermutlich nicht als Schmeichelei gemeint. Wenn Sie sagen, dass die "Erklärungen von Erfurt und Potsdam ohnehin keine Rolle spielen", weil es sich um "reine Spiegelfechterei" handle, dann könnten CDU und SPD in Thüringen ja locker zustimmen, da dergleichen Ihrer Meinung nach ja praktisch bedeutungslos wäre. Ein Sturm im Wasserglas? Auch Sie kategorisieren das BSW als "Kaderpartei", wohl wissend, dass in der Bundesrepublik keine Partei anerkannt wird, die nicht den demokratischen Prinzipien entspricht, die im Grundgesetz und Parteiengesetz genannt sind.
Sie weisen darauf hin, dass "die Länder in Sachen Verteidigungspolitik keine Kompetenzen besitzen". Tja, wer ist denn kompetent für die Stationierung neuer amerikanischer Raketen? Wenn ich mich recht erinnere, brachte Kanzler Scholz diese Botschaft frisch von einem Besuch im Weißen Haus mit. Es bedurfte nicht einmal eines Bundestagsbeschlusses. Offenbar liegen die Kompetenzen bei der amerikanischen Regierung. Wagenknecht bezeichnete daraufhin beim Interview mit Caren Miosga den Kanzler als "Vasallen" der Amerikaner, was ihr eine Missbilligung durch Frau Miosga eintrug. Offenbar empfand Wagenknecht unseren Kanzler wie einen Befehlsempfänger Bidens. Wie sehen Sie diese Angelegenheit? Die Verteidigungsexpertin Claudia Major freute sich bei einer Talk-Show über die geplante Raketen-Stationierung und meinte, sie würde sich dadurch erheblich sicherer fühlen. Dieses Gefühl teilt ein Großteil der Bevölkerung keineswegs.
Der Titel Ihres Kommentars hätte sachlicherweise sein sollen: "Wagenknecht beharrt auf friedenspolitischen Forderungen", wie sie im Wahlkampf vom BSW vertreten wurden. Dafür wurde die Wagenknecht-Partei von vielen Menschen gewählt. Ihre Kollegin Sabine am Orde von der TAZ lobt die Thüringer CDU und SPD, weil sie ihre "Werte" tapfer gegen Wagenknecht verteidigt hätten. Mit diesen "Werten" setze ich mich in einem Leserbrief an die TAZ auseinander, siehe unten.
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichem Gruß
Walter Ruffler (Bremen, 2.11.2024)