Im Kurzkommentar vom 23.02.2020 im WK wettert Jörg Helge Wagner gegen die zaghaften Versuche der Stadt Bremen mittels eines kommunalen Wohnraumschutzgesetzes gegen die in allen touristisch attraktiven Großstädten überhand nehmende Tendenz vorzugehen, in stadtzentralen Lagen Mietwohnungen (oder Teile davon) der normalen Dauervermietung zu entziehen und in vesteckter Dauernutzung in AirBnB Unterkünfte zu verwandeln. Damit lässt sich dann mehr Geld machen, zum Nachteil der hier wohnenden BremerInnen.
In einem anderem Kommentar im Weserkurier vom 1. Febr. 2020 versteigt sich Jörg Helge Wagner als Lobbyist kapitalistischer Wohnungswirtschaft ohne jede Scheu in die realitätsverzerrende Mottenkiste der Propaganda des Kalten Krieges. O-Ton: "Das Vokabular, mit dem die Debatte über vermeintlich kaum noch bezahlbare Unterkünfte (sic!) in Bremen geführt wird, atmet den Geist untergegangener sozialistischer Volksrepubliken. Investoren und Unternehmen der Wohnungswirtschaft – mit Ausnahme der landeseigenen Gesellschaften – sind demnach per se „Heuschrecken“, die man tunlichst enteignen sollte." Und dann wird es ganz deutlich: "Was es nicht gibt, ist ein Menschenrecht auf günstige familienfreundliche Wohnungen in Citynähe."
Wenn's nach Jörg Helge Wagner ginge, soll doch die Mehrheit der arbeitenden Bremer, Familien, Alleinerziehende, RenterInnen mit niedrigem und mittlerem Einkommen in trostlose Quartiere an die Stadtränder ziehen, mit teuren und langen ÖPNV Anfahrtswegen, mit schlechter schulischer, sozialer Infrastruktur und miserablen Aufwachsbedingungen für Kinder. Und die Wohlhabenden machen es sich derweil im grünen Wellness Stadtzentrum gemütlich, wie jetzt auf den Hulsberg Gelände zu beobachten, wo die Stadt skandalöserweise kommunalen Grund zu 1.500 Euro und mehr pro Quadratmeter verscherbelt an Investoren, die dort ein "grünes Vorzeigeprojekt" mit Luxusimmobilien entstehen lässt.
Soziale Spaltung als dezidiertes Programm !? Verwandlung aller Sphären des Lebens (Wohnen, Freizeit, Familien, Kinder, Pflege, Gesundheit usw.) in handelbare Waren und Unterwerfung aller gesellschaftlichen Aktivitäten unter das Joch des renditemachenden Kapitals? Wenn die Minderheit der Reichen in in diesem Land und dieser Stadt die alten Manchester-Kapitalisten und ihre Journaille (die "Mitte"?) so unverfroren in neoliberalem Gewand wiederaufleben lässt, dann braucht es eine passende Reaktion der Mehrheit. Und die gibt es auch bereits: mit den hunderttausenden Menschen, die sich in Mieterinitiativen engagieren, kommunale und genossenschaftliche bezahlbare Wohnungen (wie z.B. in Wien) fordern und auch in den Gewerkschaften. Die ver.di Bundeskonferenz 2019 z.B. hat Folgendes beschlossen (Auszüge):
"Die Versorgung mit Wohnraum gehört zur Daseinsvorsorge und ist damit eine staatliche Aufgabe. Häuser und Wohnungen sind mehr als ein Dach über dem Kopf:Sie sind unser Lebensmittelpunkt, bieten uns ein soziales Umfeld und geben uns Chancen zur Bildung von Nachbarschaft. In der Regel sind sie auch Voraussetzung für einen Arbeitsplatz. Zentrale Aufgabe von Wohnungspolitik muss es daher sein, menschenwürdigen und bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen zur Verfügung zu stellen." [...] "Menschenrechte dürfen nicht den Märkten überantwortet werden. Dies gilt gerade auch für das Wohnen. Wohnungsmärkte sind hochgradig intransparent und unflexibel. Vor allem aber sind sie sozial blind: Für private Unternehmen zählen Renditen. Im Wettbewerb um Wohnraum sind Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen daher regelmäßig benachteiligt. Dies gilt noch mehr, wenn sie beispielsweise alleinerziehend sind oder einen Migrationshintergrund haben. [...] In Zeiten zunehmender sozialer Ungleichheit und kapitalgedeckter Altersvorsorgemodelle wächst – für einige Wenige – der Bedarf an renditeträchtigen Anlagemöglichkeiten. Immobilien sind als Geldanlage- und Spekulationsobjekte geeignet, gerade Wohnimmobilien werden zunehmend als solche genutzt. Ganze Wohnungsbestände wurden von privaten Fonds und Unternehmen gekauft – entweder mit dem Ziel, sie mit Gewinn wieder zu verkaufen oder mit dem Ziel, nach Luxussanierungen die Mieten zu erhöhen. Dies führt in angespannten Märkten zu drastischen Miet- und Verkehrswertsteigerungen. [...] ver.di kritisiert, dass in vielen Kommunen inzwischen auch kommunale Wohnungsunternehmen gezwungen sind, Gewinne zu erwirtschaften, um zur Haushaltssanierung beizutragen. Die aktuelle Lage an den Wohnungsmärkten unterstreicht, wie wichtig staatliche Regulierung gerade in diesem Bereich der Daseinsvorsorge ist. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eines der zentralen gesellschaftspolitischen Probleme in Deutschland. ver.di hält vor diesem Hintergrund eine fundamentale wohnungspolitische Kehrtwende für unabdingbar – ein Bruch mit der marktradikalen Wohnungspolitik der letzten 30 Jahre. ..."
Übrigens scheint Jörg Helge Wagner ein feines Gespür zu haben, wo seine Verbündeten sitzen könnten: in der Führung der Partei der Grünen. Lobend erwähnt er, dass Maike Schäfer sich deutlich gegen den Mietendeckel positioniert hätte und das Wohnraumschutzgesetz gegen Airbnb Zweckentfremdung mit Skepsis verfolge.
(Rodolfo Bohnenberger)