Leserbrief zum Artikel „Zwangsverzicht auf Machtdemonstration“ im Weser-Kurier vom 18. April 2020
Der Artikel blendet den eigentlichen Anlass für die russischen Feierlichkeiten am 9. Mai völlig aus: nämlich den Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941. Mit dem von ihm begonnenen Krieg hat Deutschland gegenüber dem russischen Volk eine geschichtliche Schuld auf sich geladen, zu der es sich bis heute weder ideell noch materiell glaubwürdig bekannt hat: mehr als 25 Mio. zivile und militärische Todesopfer, also etwa die Hälfte aller Kriegstoten des 2. Weltkrieges , 2 Mio. systematisch dem Verhungern preisgegebene sowjetische Kriegsgefangene allein innerhalb von wenigen Monaten, Zerstörung, Ausbeutung und Terror in jeder nur erdenklichen Form.
Ist es dem Artikel gar nichts wert, vor allem daran zu erinnern und so deutlich zu machen, dass man in Russland die unsäglichen Schrecken und Opfer des Krieges nicht vergessen kann? Und können sich die Autoren nicht vorstellen, dass NATO-Großmanöver wie das (kürzlich nur wegen Corona abgebrochene) „Defender 2020“ eingedenk der furchtbaren Vergangenheit kaum geeignet sind, der russischen Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln?
Wäre nicht gegenüber Russland, wie gegenüber anderen Völkern und Ländern auch, eine Erinnerungskultur notwendig, die dazu beiträgt, dass sich das vom russischen Volk erlittene unermessliche Leid nie mehr wiederholt und damit auch Deutschland zukünftig von den apokalyptischen Folgen eines neuen Krieges verschont bleibt?
Lothar Peter