Pressemitteilung 11.07.19
Bremen. #aufstehen Bremen, das Bremer Friedensforum und die Juristenorganisation IALANA Bremen haben sich Mitte Juni in einem Offenen Brief an alle bremischen Bundestagsabgeordneten und an Joachim Schuster als Abgeordneten des Europäischen Parlamentes gewandt. Die Antworten von Joachim Schuster, MdEP, des Bremer Abgeordneten Uwe Schmidt (SPD), von Doris Achelwilm (Linke) und Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Grüne) sind im Folgenden nachzulesen.
In dem Schreiben geben die Organisationen ihrer Besorgnis über die Situation im und um den Iran Ausdruck, insbesondere auch über die zunehmend schlechte Lage der Zivilbevölkerung, vor allem von Kindern und kranken Menschen. Infolge der unter Bruch des Atomabkommens mit dem Iran erneut verhängten und verschärften US-Sanktionen sei der Import von medizinischen Produkten und Gebrauchsgütern, wie zum Beispiel Windeln, fast unmöglich geworden.
Die Organisationen fordern in ihrem Offenen Brief die Abgeordneten auf, sich schon jetzt einzusetzen für eine unmissverständliche Erklärung der Bundesregierung, sich in keinem Fall an einem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iran zu beteiligen. So sollte den USA die Nutzung der Air-Base Ramstein für einen nicht vom Sicherheitsrat der UN ermächtigten Kriegseinsatz gegen den Iran verweigert werden, vor allem im Hinblick auf Artikel 2 der UN-Charta und Artikel 26 des Grundgesetzes (Verbot des Angriffskrieges).
Die Abgeordneten werden aufgefordert, auf die Aufhebung der Sanktionen durch die USA hinzuwirken und sich für ungehinderte, friedliche wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland, der EU und dem Iran einzusetzen: "Es gilt, einen Angriff auf den Iran mit Folgen ungeheuren Ausmaßes für den gesamten Mittleren Osten zu verhindern."
Den Brief beantwortet haben Joachim Schuster, MdEP sowie als Bremer Abgeordnete Uwe Schmidt (SPD), Doris Achelwilm (Linke) und Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Grüne).
Im folgenden dokumentieren wir zuerst den Brief an die Abgeordneten und danach die vier oben genannten Antworten.
Bremen, 16.Juni 2019
An die Bremischen Abgeordneten des Deutschen Bundestages
An die Bremischen Abgeordneten im Europäischen Parlament
Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrter Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Schuster.
Wir, die Unterzeichnenden, sprechen für die Friedensgruppe von „aufstehen“ in Bremen, das Bremer Friedensforum und IALANA Bremen.
Wir wenden uns heute an Sie, weil wir sehr besorgt sind über die hochgefährliche Situation im Iran, welche die USA mit dem Rückzug aus dem Iran Atom Abkommen eingeleitet haben. Das Iran Atom Abkommen sieht keine Kündigung vor. Schon der einseitige Rückzug seitens der USA stellt einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar und missachtet die ebenfalls vereinbarten Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten.
Die Internationale Atom Energie Kommission ( IAEO) hat die Einhaltung des Vertrages durch den Iran mehrfach bestätigt. Die USA dagegen haben ihre einseitigen scharfen Sanktionen der Vergangenheit wieder in Kraft gesetzt, obwohl vereinbart wurde, dass nur der Sicherheitsrat die Sanktionen, die vor dem Abschluss des Abkommens vom Sicherheitsrat, den USA und der EU gegen den Iran verhängt worden waren, wieder in Kraft setzen darf.
Bisher haben die USA keinen konstruktiven Vorschlag zur Entschärfung und Beilegung des Konfliktes gemacht, sondern über den Iran zusätzlich einen totalen Import und Exportboykott verhängt. Die wirtschaftliche und humanitäre Situation im Iran ist dadurch inzwischen katastrophal. Der Preis von Lebensmitteln ist in einem Jahr um bis zu 57% gestiegen. Es gibt Engpässe bei Medikamenten und Gebrauchsgütern, auch bei Waren des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Babywindeln. Medikamente können teilweise nicht mehr hergestellt werden, weil Grundstoffe nicht importiert werden können. Inflation und Rückgang der Wirtschaft treiben Millionen Iraner in die Armut.
Damit einher geht der Druck der USA auf alle Staaten, die bisher noch Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran unterhalten; sie sollen deswegen vom US Markt ausgeschlossen werden.
Als Reaktion auf diese völkerrechtswidrigen Maßnahmen hat Iran den Internationalen Gerichtshof (IGH) angerufen. Am 3.10.18 hat dieser eine Einstweilige Anordnung gegen die USA erlassen und untersagt, den iranischen Import von Arzneimitteln, Flugzeugersatzteilen, u.Ä. zu unterbinden. Allerdings ziehen sich auch in dieser Hinsicht Banken, welche bisher noch Geschäfte mit dem Iran abgewickelt haben, aus Furcht vor Repressalien der USA immer weiter zurück. Das von der EU zum Ersatz installierte INSTEX--System hat bisher noch keine einzige Transaktion abwickeln können.
Inzwischen agiert die US--Regierung mit Gewaltdrohungen und mit aktiver Kriegsvorbereitung, z.B. durch Verlegung umfangreicher Flottenverbände in den Persischen Golf. Der Trump--Sicherheitsberater Bolton hat offen einen Regime--Change im Iran „noch in diesem Jahr“ gefordert -- auch das eine völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und Verstoß gegen die UN--Charta.
Seit Monaten füllen die US--Streitkräfte ihre Waffen-- und Munitionslager im Bereich Ramstein auf. Bei dieser auch für Europa und Deutschland so gefährlichen Entwicklung dürfen Bundestag, Bundesregierung und EU nicht tatenlos zusehen, bis die USA den angekündigten Krieg gegen den Iran beginnen !
Wir fordern Sie als Bundestagsabgeordnete und Abgeordnete des EU--Parlamentes auf:
1) Setzen Sie sich in Ihrer Fraktion dafür ein, dass die Bundesregierung bereits jetzt unmissverständlich erklärt, sich nicht an einem völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iran beteiligen.Die Airbase Ramstein darf als deutsches Hoheitsgebiet nicht für einen Krieg gegen den Iran genutzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes muss die Bundesregierung den Einflug in das Hoheitsgebiet der BRD untersagen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Luftfahrzeuge gegen das Gewaltverbot der UN--Charta verstoßen, indem sie an einem völkerrechtswidrigen militärischen Einsatz mitwirken.
2) Setzen Sie sich dafür ein, dass Ramstein als Basis für US-- Militärschläge gegen den Iran gesperrt wird.
3) Setzen Sie sich für die Forderung an die USA ein, die Sanktionen sofort zurückzunehmen und sich wieder vertragstreu zu verhalten, sowie die Kriegsschiffe aus dem Persischen Golf zurückzuziehen.
4) Setzen Sie sich dafür ein, dass es wieder zu einer friedlichen Entwicklung und ungehinderten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland, der EU und dem Iran kommt.
Käme es zu einem Angriff auf den Iran, wäre ein Flächenbrand ungeheuren Ausmaßes im Nahen und Mittleren Osten unvermeidbar. Viele Millionen Menschen würden Tod, Hunger und Leid ausgesetzt werden. Wahrscheinlich würden auch Europa und Deutschland die Auswirkungen der Destabilisierung einer solch riesigen Region unmittelbar zu spüren bekommen mit vielfältigen Folgen, letztlich für die ganze Welt. Das gilt es mit allen Mitteln zu verhindern. Die Zeit drängt. Angesichts der Brisanz der Situation möchten wir Sie kurzfristig um eine Stellungnahme zu unseren Forderungen bitten...
Mit freundlichen Grüßen
für die Friedensgruppe von „aufstehen Bremen“, Dagmar Biederbick
für das Bremer Friedensforum, Ekkehard Lentz
für IALANA Bremen, Gerhard Baisch
E-Mail Antwort Von: Kappert-Gonther Kirsten [mailto:...] Gesendet: Montag, 1. Juli 2019 16:10
Betreff: AW: Zur Situation im Iran-"aufstehen" Bremen, Bremer Friedensforum und IALANA Bremen
Sehr geehrte Frau Biederbick, sehr geehrter Herr Lentz, sehr geehrter Herr Baisch,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 16. Juni. Ich teile Ihre Auffassung, dass auch Deutschland eine Rolle beim völkerrechtlich höchst umstrittenen Drohnenprogramm spielt. Denn die Amerikaner nutzen ihre Relaisstation auf der Air Force Base in Ramstein, um die unbemannten Flugobjekte per Satellit zu steuern. Mit deutschem Recht ist dies nicht vereinbar. Die Bundesregierung muss nun endlich dafür sorgen, dass die USA ihre Infrastruktur in Deutschland nicht länger dazu nutzt, um völkerrechtswidrige Drohneneinsätze auf der anderen Seite der Erdkugel zu ermöglichen.
Nach dem Urteil des OVG Münster zu US-Drohneneinsätzen im Jemen kann sich die Bundesregierung nicht mehr zurücklehnen und wider besseren Wissens auf die vertragliche Zusicherung der USA gegenüber Deutschland verweisen, dass die Stützpunkte in Deutschland nicht für rechtswidrige Operationen genutzt werden. Leider bedurfte es erst einer gerichtlichen Entscheidung, um die Bundesregierung an ihre Schutzpflicht gegenüber der Drohnenopfer zu erinnern. Dabei ist spätestens seit 2015 bekannt, dass die Airbase in Ramstein für die illegalen Tötungen eine zentrale Rolle spielt. Im Jahr 2017 hat Hans-Christian Ströbele daher Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in Deutschland und den USA gestellt.
Darüber hinaus lehnen wir Grüne generell den Einsatz bewaffneter Drohnen ab. Der Einsatz von Kampfdrohnen treibt eine Entgrenzung der Kriegsführung voran, senkt die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt und verändert die Kriegsführung grundlegend, ganz zu schweigen von der hohen Zahl ziviler Opfer, die uns zeigen, dass es keinen technisch sauberen Krieg gibt.
Angesichts des Risikos einer Eskalation der Spannungen zwischen Iran und den USA, die auch durch die Entsendung des amerikanischen Flugzeugträgers in den Persischen Golf und die Anschläge im Golf von Oman verstärkt werden, müssen die Bundesregierung und die EU jetzt deshalb entschlossen handeln. Sie müssen sichere Wege für Finanztransaktionen schaffen und dem Iran ein Mindestmaß an Öleinnahmen sichern. Entscheidend ist für den Moment, dass die umfangreichen Inspektionen fortgesetzt werden, die sicherstellen, dass der Iran die Entwicklung von Atomwaffen nicht wieder aufnimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther
Antwort von Doris Achelwilm, Mitglied des Deutschen Bundestages
Bremen, 22. Juni 2019
Liebe Dagmar Biederbick-Gerlach, lieber Ekkehard, lieber Gerhard Baisch,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Zuschrift anlässlich des Iran-Atomabkommens! Auch als Bundestagsfraktion DIE LINKE beobachten wir diese Entwicklungen aufmerksam und nehmen auf das aktuelle Geschehen im Rahmen unserer Möglichkeiten Einfluss – wir fordern weltweite Abrüstung und Entspannungspolitik. Die fachpolitische Zuständigkeit zum Thema liegt bei den entsprechenden Ausschussmitgliedern und SprecherInnen meiner Fraktion. Die letzte Pressemitteilung von Sevim Dagdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und abrüstungspolitische Sprecherin, zum Thema findet Ihr hier: https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/us-truppenaufmarsch-gegen-den-iran-stoppen/.
Ein aktuelles Interview von Matthias Höhn, sicherheitspolitischer Sprecher, mit ZDF heute findet sich hier: https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/es-fuehlt-sich-mitunter-aussichtslos-an/.
Hier die aktuelle Pressemitteilung von Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher: https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/iran-politik-eu-muss-auf-distanz-zu-usa-bleiben/.
Unserer Auffassung nach ist es seitens der EU wichtig, das internationale Atomabkommen mit dem Iran gegen die einseitige Aufkündigung durch die USA weiter zu verteidigen. Notwendig ist, den willkürlich verhängten US-Sanktionen mit wirksamen Gegenmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Handels mit dem Iran zu begegnen. Teheran darf für seine bisherige Vertragstreue beim Atomabkommen nicht wirtschaftlich bestraft werden.
Wir sind überzeugt, dass die Entsendung von US-Kriegsschiffen und Bomberstaffeln in den Mittleren Osten sowie Sabotageakte gegen die Schifffahrt im Persischen Golf ernst genommen und als Alarmsignale verstanden werden müssen. Anlässlich der US-Truppenverlegung in die Region sowie der jüngsten US-Vorwürfe gegen den Iran im Zusammenhang mit den Angriffen auf Tanker im Golf von Oman fordern wir die Bundesregierung und die EU auf, sich weiter auf Distanz zur US-Linie in der Iranpolitik zu halten. Die Politik der Trump-Administration ist auf Eskalation ausgelegt und kann einen Krieg provozieren. Diesen bedrohlichen Kurs darf die EU auf keinen Fall unterstützen.
Wir begrüßen den Vorschlag des UNO-Generalsekretärs António Guterres, eine unabhängige internationale Untersuchung der Zwischenfälle im Golf von Oman einzuleiten und erwarten, dass diese Initiative von Bundesaußenminister Heiko Maas im UN-Sicherheitsrat gestärkt wird.
Seinen EU-Amtskollegen Pompeo sollte Heiko Maas ausdrücklich und unmissverständlich auffordern, den Konfrontationskurs gegenüber dem Iran zu beenden. Die Bundesregierung darf auch keine militärische Infrastruktur in Deutschland zur Verfügung stellen. US-Militärbasen sowie der Luftraum über Deutschland dürfen nicht für Angriffe auf den Iran oder andere Kriege genutzt werden.
Ihre/Eure Forderungen werden von der Fraktion DIE LINKE im Bundestag unterstützt!
Gerne weise ich Sie und Euch abschließend auf die Veranstaltung „Kein Krieg gegen den Iran - Abrüstungsverträge erhalten!“ am 27. Juni, 17 Uhr, am Brandenburger Tor hin: https://www.linksfraktion.de/termine/detail/kein-krieg-gegen-den-iran/.
Mit solidarischen Grüßen
Doris Achelwilm
Antwort von MdB Uwe Schmidt vom 26.06.2019
Antwort von Joachim Schuster, Mitglied des Europäischen Parlaments vom 21.06.2019