„Die Geschichte lehrt, dass der Einsatz von Militär im Inland demokratiegefährdend ist."
Bremen. Der Landesverband Niedersachsen-Bremen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Aufstehen Bremen unterstützen ausdrücklich den unten aufgeführten Protest des Bremer Friedensforums und der VVN-BdA Bremen (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) an der von der Bremer Landesregierung beschlossenen Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im bremischen Zivilsektor (z. Zt. im Gesundheitsressort) und anderswo.
„Die Geschichte lehrt, dass der Einsatz von Militär im Inland demokratiegefährdend ist." Diese Erkenntnis, die unmittelbar nach dem Faschismus in unserem Grundgesetz zu einer klaren Beschränkung der "Streitkräfte für die Landesverteidigung" führte, kann angesichts vielfältiger historischer Vorerfahrungen nur bekräftigt werden.
Mit Empörung stellen wir fest, dass die gleichen Parteien, die über Jahrzehnte in Regierungsverantwortung für den (Personal)Abbau im staatlich/kommunalen Gesundheitssektor verantwortlich zeichnen, nun mit der Losung einer angeblichen "Alternativlosigkeit" Bundeswehrsoldaten die äußerst datenschutzsensible "„Nachverfolgung von Infektionen am PC“ anvertrauen. Wenn Personalmangel als regierungsamtliches Argument der Bremer Landesregierung für Bundeswehreinsätze im Inneren ausreicht, dann könnte nach der gleichen Logik demnächst auch in Schulen, KiTas, Krankenhäusern und in der Pflege die Bundeswehr "aushelfen"?
Statt dieser langsamen Gewöhnung der Bürger*innen diese Landes an Militarisierung und "Bundeswehr im Inneren" sollte sich die Bremer Landesregierung stattdessenden dafür einsetzen, dass die Daseinsvorsorge und der zivile Gesundheitssektor, sowie der zivile Katastrophen- und Klimaschutz ausgebaut werden.
Pressemitteilung 21.10.2020
DFG-VK-Landesverband Niedersachsen-Bremen (Klaus Schiesewitz) und Aufstehen Bremen (Rodolfo Bohnenberger)
Update 1.1.2021: Laut Unterlagen der Depuation Gesundheit .. wurde/wird die Bundeswehr neben dem Gesundheitsamt und dem Gesundheitsressort auch am Flughafen eingesetzt. Laut Presseerklärung vom 28.12.2020 mit Beginn der Impfungen auch im Impfzentrum: "Oberst Hans Peter Dorfmüller, Kommandeur des Bundeswehr Landeskommandos Bremen: "Seit mehreren Monaten unterstützt die Bundeswehr das Bundesland Bremen im Rahmen der Amtshilfe im Kampf gegen den Corona-Pandemie. Wie bisher, greift die Amtshilfe auch künftig immer dann, wenn die Ressourcen der zivilen Stellen erschöpft sind." Oberstarzt Dr. Michael Clauss, Leiter des Sanitätsunterstützungszentrums in Wilhelmshaven, ergänzt: "Die Bereitstellung der benötigten Kräfte für das Impfzentrum Bremen wird zeitnah erfolgen. Vonseiten der Bundeswehr werden unter anderem ein Arzt oder eine Ärztin, drei impfbefähigte Personen und weitere Sanitätskräfte im Impfzentrum Bremen unterstützen."
Pressemitteilung 14.10.2020
Keine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Bremen
Bremen. Die VVN-BdA Bremen und das Bremer Friedensforum protestieren gegen die angekündigte Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr in Bremen wie im gesamten Inland. Dieser leiste der Militarisierung des zivilen Lebens weiteren Vorschub und höhle das Grundgesetz aus. Beide sehen mit größter Sorge, dass in Bremen die rot-grün-rote Regierung mit der Ankündigung, mehr Soldat*innen im Gesundheitsamt und sogar im Ressort selbst einzusetzen, eine weitere Tür zur Übernahme ziviler Aufgaben durch das Militär öffnet.
Die Bundeswehr soll aufgrund der Corona-Pandemie in Zukunft noch häufiger zum Einsatz innerhalb Deutschlands kommen. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich an. Aktuell sind etwa 1.400 Soldat*innen im Inlandseinsatz, weitere 13.600 stehen bereit.
Regine Albrecht (VVN-BdA) und Ekkehard Lentz (Friedensforum) lehnen diese Ausweitung ab: „Die Bundesregierung nutzt die Pandemie, um Einsätze der Bundeswehr im Inland weiter zu normalisieren. Jahrelang hat man den Gesundheitssektor und den zivilen Katastrophenschutz zugunsten einer massiven militärischen Aufrüstung kaputt gespart und die aktuelle Notsituation damit selbst herbeigeführt“, werfen Albrecht und Lentz der Bundesregierung vor. Seit Beginn der Corona-Pandemie versuche die Regierung den Einsatz des Militärs im Inland auszuweiten – der zwischenzeitlich erwogene Einsatz bewaffneter Soldat*innen wurde zum Glück noch nicht realisiert.
VVN-BdA und Bremer Friedensforum sind dennoch besorgt: „Die Geschichte lehrt, dass der Einsatz von Militär im Inland demokratiegefährdend ist." Das preußisch-deutsche Militär nahm Mitte des 19. Jahrhunderts eine unrühmliche Rolle als „Staat im Staat“ ein. Später hieß es sogar: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“.
Dies und die Erfahrung des Faschismus habe dazu geführt, dass das Grundgesetz eine klare Beschränkung des Aufgabenbereichs des Militärs vorsieht.
Gerade in Zeiten immer neuer Rechtsextremismus-Skandale in der Bundeswehr sei es fatal, Soldat*innen mehr Kompetenzen im Inland zuzuschlagen.
Damit nicht genug: „Das Verteidigungsministerium nutzt die Pandemie für eine großangelegte Image-Kampagne für die Bundeswehr und stellt die Übernahme von zivilen Aufgaben im Inland als gewinnbringend und normal dar“, kritisieren VVN-BdA und Friedensforum. Auch der vor Kurzem von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeführte freiwillige, heimatnahe Wehrdienst sei etwa mit der Corona-Pandemie begründet worden und explizit auf das Inland ausgerichtet.
Beide Organisationen fordern ein Umdenken in der Sicherheitspolitik: „Wir sehen deutlich, dass das Militär nicht die Lösung der großen für die Menschen sicherheitsrelevanten Probleme – die Corona-Pandemie und den Klimawandel – und sogar Teil des Problems ist“, erklären Regine Albrecht und Ekkehard Lentz. Die Kosten für das Militär stünden in Konkurrenz zu Ausgaben für den Gesundheitssektor sowie Katastrophen- und Klimaschutz. Die aktuelle Pandemie und die geplante Ausweitung des Bundeswehreinsatzes würden die falsche Politik der Bundesregierung der letzten Jahrzehnte offenlegen: „Wir müssen Militär abrüsten und den Gesundheitssektor, sowie den Katastrophen- und Klimaschutz ausbauen“, so Albrecht und Lentz.
Regine Albrecht
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Landesvereinigung Bremen
Ekkehard Lentz
Sprecher Bremer Friedensforum