Gedanken zum Rundfunkbeitrag in der Bundesrepublik

ARD(von Wolfgang Vormann)

Jeder Haushalt in unserem Land zahlt – sofern er nicht unter eine der Befreiungsklauseln fällt – Rundfunkbeitrag; rund 220 Euro im Jahr oder mehr. Die Höhe wird auf einem recht komplizierten und für „Normalmenschen“ nicht nachvollziehbarem Wege festgelegt und ändert sich immer mal wieder. Warum zahlen wir dieses Geld? – Weil nach dem Ende des NS-Regimes und mit der Gründung der BRD ein unabhängiger, neutraler und umfassender Informationsfluss in die Breite der Bevölkerung sichergestellt werden sollte. Nach dem Vorbild der britischen BBC gründete man den öffentlich rechtlichen Rundfunk und ersann die Beitragsfinanzierung als geeigneten Weg, die Neutralität langfristig zu sichern. Ein wesentlicher Gedanke war wohl auch, Deutschland vor einer erneuten politischen Verführung durch eine einseitig geprägte Machtelite zu schützen. Das waren grundsätzlich gute Ideen, und sie haben ja auch über Jahre recht gut funktioniert. Als „schlechtes Gegenbeispiel“, so kann ich mich entsinnen, wurden stets NBC und Fox News aus den USA oder die parteitreuen Staatsrundfunkgesellschaften der kommunistischen Länder erwähnt. Damit das Ganze dann auch einen rechtlichen Rahmen hat wurde der Rundfunkstaatsvertrag geschrieben und es kam zur Gründung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk.

Der Rundfunkstaatsvertrag wurde mehrfach geändert und ergänzt und heißt inzwischen Medienstaatsvertrag. Die Aktualisierungen geschahen aber vor allem, um dem technischen Wandel zu entsprechen und um Minderheiten und der Vielfalt unserer Gesellschaft in vielerlei Aspekten gerecht zu werden. In der Präambel des Vertrages wird – im Grunde auf recht „schwammige“ Art und Weise – der Zweck festgeschrieben: Ein öffentlich rechtlicher Rundfunk soll zu umfänglicher, parteineutraler, ausgewogener und staatsferner Information verpflichtet sein.

Alle weiteren Paragraphen und sämtliche Ergänzungsverträge beschäftigen sich im Wesentlichen nur mit technischen Gesichtspunkten sowie der Schaffung einer ausgefeilten Rechtssicherheit bei der Beitragseintreibung. Das Geld wird nach einem festgelegten Schlüssel unter den Rundfunkanstalten (ARD-Sender, ZDF, Deutschlandfunk) aufgeteilt. Mit der Beitragseintreibung brauchen sich die Sender nicht selbst befassen, sondern dafür gibt es eine zu diesem Zweck gegründete Inkassofirma. Ob dieses Unternehmen statt Mahnverfahren, so wie es in der Privatwirtschaft üblich ist, über „Festsetzungsbescheide“ (also so wie eine Behörde) Druck auf säumige Zahler ausüben darf, ist inzwischen durch entsprechende Gerichtsverfahren zumindest strittig.

Auch wenn der eigentliche Sinn und Zweck des Medienstaatsvertrages nur allgemein in der Präambel formuliert und dies möglicherweise absichtlich oder unabsichtlich auch nie konkreter in einer der Vorgängerversionen gestanden haben könnte, ist es doch nicht zu leugnen, dass eine neutrale, von niemanden beeinflusste Informationsquelle geschaffen werden sollte. Die vom Staat gewollte, aber von der jeweiligen Regierung unabhängige Informationsquelle sollte umfassend und ganzheitlich funktionieren. Wie auch in anderen Institutionen unserer Gesellschaft werden hierfür Aufsichtsgremien zur Kontrolle geschaffen. Diese Gremien sollten alle gesellschaftlich-relevanten Gruppen vertreten und in ihren Entscheidungen ebenfalls unabhängig sein. Die Gremien gibt es natürlich und sie arbeiten auch. Warum sind dann die Nachrichten der „Öffentlichen“ so einseitig, unvollständig und teilweise manipulativ? Die Gremien sind paritätisch besetzt; d. h. es sind immer Unterstützer und Gegner einer bestimmten Darstellung eines Zusammenhangs in den Nachrichten gleichermaßen vertreten. Aus meiner eigenen, ehemaligen beruflich bedingten Gremienarbeit in einem anderen Zusammenhang weiß ich, mit welchen Instrumenten hier bestimmte – von den Machteliten gewollte – Interessenlagen mehrheitsfähig gemacht werden. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, dass die Diskussionsverläufe in Rundfunkräten nach ähnlichen Mustern ablaufen: Diversifizieren eines Problems auf „Nebenkriegsschauplätze“, endlose und zermürbende Diskussionen mit „Ja, aber ..“-Argumentation, Anwendung des so genannten „Whataboutism“ und so weiter. Außerdem haben Vertreter*innen von Minderheitsmeinungen seltener die Chance, in solchen Gremien vertreten zu sein. Und wenn, werden sie oftmals von „übergreifenden Interessenlagen“ mehr oder weniger zum Schweigen gebracht.

Beispiele für unsaubere oder manipulative Berichterstattung gibt es genug. Es gibt auch etliche prominente Experten (Journalisten, Essayisten, kritische Kabarettisten), die immer wieder auf einzelne Unzulänglichkeiten des öffentlich rechtlichen Rundfunks hinweisen. Darum möchte ich jetzt hier nur einige Ansatzpunkte aufführen, um zu verdeutlichen, was ich unter unsauber und manipulativ verstehe.
• Es fehlt an Ausgewogenheit in der Darstellung der Argumente (Beispiel: Berichterstattung über Impfvorteile und Impfrisiken in der Coronakrise).
• Es fehlt eine deutliche Trennung von Information und Kommentierung (Beispiel: Statt vom „Konflikt in der Ukraine“ wird fast durchgängig vom „russischen Angriffskrieg“ gesprochen).
• Es fehlt eine investigative journalistische Aufarbeitung von Tatsachen, die Regierungsversäumnisse aufdecken (Beispiel: selbst initiierte, intensive Recherche zur Klärung der Sprengung der Nordstream-Pipelines ist unterblieben).

Von der Rolle einer „vierten Gewalt“ entfernen sich ARD und Co. immer mehr. Das war schon einmal ganz anders in unserem Land:
• Als Reporter und Journalisten Politikern noch kritische Fragen stellten. Und als sie bei ausweichenden Antworten dann auch noch „nachbohrten“.
• Als Nachricht und Kommentierung noch deutlich von einander getrennt waren. Als also die Manipulation durch Sprache noch kein durchgängiges Prinzip war.
• Als man Andersdenkende noch wegen ihrer anderen Einstellung zu einer Sache nicht als „Schwurbler“ oder als zu bedauernde Unbelehrbare bezeichnet hat.
• Als vom Mainstream abweichende Kommentierung politischer Ereignisse – und wenn es satirisch war – noch als solches geduldet wurde und nicht gleich von Programmverantwortliche sanktioniert wurde.
Vor einiger Zeit gab es mal eine ARD-Eigenwerbung, in der behauptet wurde, dass das öffentliche Fernsehen vollständig und mit Faktenchecks arbeitet und „denen eine Stimme gibt, die sonst nicht gehört werden.“ Dieser Spot war so weit vom Fernseh-Alltag entfernt, dass er schon bald wieder aus dem Programm verschwand.

Nun ist der öffentlich rechtliche Rundfunk nicht nur zur Informationsweitergabe (also als Nachrichtenquelle) verpflichtet, sondern die Bildung und Unterhaltung gehören ebenso zu seinen Aufgaben. Ob und wie weit er diesen Herausforderungen gerecht wird, ist objektiv schwer zu sagen. Was bedeutet „Ausgewogenheit“ bei der Unterhaltung? Bei der Bildung ließe sich schon eher ein Messkriterium aufstellen. Nämlich beispielsweise dem Gedanken folgend, ob die vermittelte Bildung ausschließlich der Erziehung zu funktionierenden Arbeitskräften und willigen Konsumenten dient, oder ob ein kritisches und selbstbewusstes Denken und Handeln als Staatsbürger gefördert wird.

Man muss an dieser Stelle auch die Aufgabe der Rundfunkanstalten bei der Schaffung und Erhaltung von Kultur beleuchten. Kultur (Musik, bildende Künste, Theater, Film und Literatur) ist teuer und wird immer teurer. Ein Konzert oder eine Ausstellung ohne Sponsoring durch die Wirtschaft ist leider heute nicht mehr vorstellbar. Hier leisten die Beitragsempfänger nach meiner Wahrnehmung eine relativ umfängliche Arbeit. Ich denke da unter anderem an Projekte der Förderung von jungen Talenten oder an das Veröffentlichen von Kunst, die sonst durch einen Mainstreamgeschmack völlig verdrängt würde. Auch bei der Präsentation von politisch motivierter Kunst oder bei der Bewahrung von klassischen Werken spielen ARD, ZDF und Co. eine nicht ganz unbedeutende Rolle. Ich weiß von Beispielen aus meinem persönlichen Umfeld, bei denen vielleicht nur lokal-bekannte Talente durch Unterstützung aus Beitragsgeldern die Möglichkeit zur Darstellung ihrer Kunst bekommen haben. Da stellt sich mir die Frage, ob es nicht bei einer Neugestaltung des öffentlichen Auftrages sinnvoll ist, eine Art Kultursteuer zu erheben und gesetzlich die Auftragserfüllung zum Wohle einer diversen und selbstbewussten Gesellschaft zu überprüfen. Die Vermengung des Kultur schaffenden Auftrages mit der Erfüllung der neutralen Informationsvielfalt „verwässert“ heute und zukünftig sicher noch viel mehr die Überprüfbarkeit des Staatsvertrages.

Ich bin also keinesfalls für die Abschaffung des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Es ist schon ein guter Gedanke und in der von Medien beherrschten Welt eine dringende Notwendigkeit, eine möglichst vom Kommerz unabhängige Informations-, Kultur- und Unterhaltungsquelle zu haben. Leider funktioniert das Prinzip bei der Nachrichteninformation gerade sehr schlecht. Hier sollten wir als kritische und selbstbestimmte Menschen in diesem Land überlegen, wie wir auf diesen Mißstand aufmerksam machen können. Es gibt eine Initiative zur Beitragsverweigerung bzw. –zurückhaltung im Internet. Ich bin juristisch nicht genug versiert, um feststellen zu können, ob das dort vorgeschlagene Verfahren tauglich ist oder nicht. Nach dem gründlichen Lesen des Staatsvertrages und seiner ergänzenden Papiere kommt mir die Sache etwas „auf tönernen Füßen“ stehend vor. Aber das sollte jede/jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst habe mir vorgenommen, meinem Protest dadurch Ausdruck zu verleihen, dass ich ein etwas „schludriger“ Zahler werden möchte und dies durch regelmäßige Beschwerdebriefe an die für mich zuständige Rundfunkanstalt begleiten möchte. Einen Mustertext [Link zum Download „Widerspruch-ARDZDFDtschf-Begründung.pdf“] als Vorschlag für eigene Initiative füge ich hier bei. Ich habe also die automatische jährliche Abbuchung zurückgezogen und warte auf eine Rechnung. Meine Zahlung könnte ich dann etwas zeitverzögert mit entsprechenden Begleitschreiben veranlassen. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Begleitschreiben nur an die für mich zuständige Rundfunkanstalt zu senden sind. Die Inkassofirma „Beitragsservice“ wäre der falsche Adressat.

In Deutschland soll es knapp 10 % der Haushalte „säumige Zahler“ geben. Ich denke, die meisten werden es aus Unwissenheit und / oder Armut sein. Nur ein kleiner Teil wird dies aus einem politischen Protest heraus tun. Es ist zu befürchten, dass diese 10 % bei dem enormen Beitragsaufkommen bequem zu verkraften sind. Daher glaube ich, dass der bloße Beitragsboykott nicht der richtige Weg ist. Es muss eine breite, an vielen Stellen geführte Diskussion zu einer Veränderung der Verhältnisse führen. Denn gar nichts tun und der staatlich gesteuerten Meinungsmache tatenlos zusehen, ist auch keine Lösung.

Wolfgang Vormann