In einer Pressemitteilung vom 14.10.2020 protestiert die VVN-BdA Bremen und das Bremer Friedensforum gegen die angekündigte Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr in Bremen wie im gesamten Inland.
"Dieser leiste der Militarisierung des zivilen Lebens weiteren Vorschub und höhle das Grundgesetz aus. Beide sehen mit größter Sorge, dass in Bremen die rot-grün-rote Regierung mit der Ankündigung, mehr Soldat*innen im Gesundheitsamt und sogar im Ressort selbst einzusetzen, eine weitere Tür zur Übernahme ziviler Aufgaben durch das Militär öffnet. Die Bundeswehr soll aufgrund der Corona-Pandemie in Zukunft noch häufiger zum Einsatz innerhalb Deutschlands kommen. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich an. Aktuell sind etwa 1.400 Soldat*innen im Inlandseinsatz, weitere 13.600 stehen bereit.
Regine Albrecht (VVN-BdA) und Ekkehard Lentz (Friedensforum) lehnen diese Ausweitung ab: „Die Bundesregierung nutzt die Pandemie, um Einsätze der Bundeswehr im Inland weiter zu normalisieren. Jahrelang hat man den Gesundheitssektor und den zivilen Katastrophenschutz zugunsten einer massiven militärischen Aufrüstung kaputt gespart und die aktuelle Notsituation damit selbst herbeigeführt“, werfen Albrecht und Lentz der Bundesregierung vor. Seit Beginn der Corona-Pandemie versuche die Regierung den Einsatz des Militärs im Inland auszuweiten – der zwischenzeitlich erwogene Einsatz bewaffneter Soldat*innen wurde zum Glück noch nicht realisiert.
VVN-BdA und Bremer Friedensforum sind dennoch besorgt: „Die Geschichte lehrt, dass der Einsatz von Militär im Inland demokratiegefährdend ist." Das preußisch-deutsche Militär nahm Mitte des 19. Jahrhunderts eine unrühmliche Rolle als „Staat im Staat“ ein. Später hieß es sogar: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“.
Dies und die Erfahrung des Faschismus habe dazu geführt, dass das Grundgesetz eine klare Beschränkung des Aufgabenbereichs des Militärs vorsieht. Gerade in Zeiten immer neuer Rechtsextremismus-Skandale in der Bundeswehr sei es fatal, Soldat*innen mehr Kompetenzen im Inland zuzuschlagen.
Damit nicht genug: „Das Verteidigungsministerium nutzt die Pandemie für eine großangelegte Image-Kampagne für die Bundeswehr und stellt die Übernahme von zivilen Aufgaben im Inland als gewinnbringend und normal dar“, kritisieren VVN-BdA und Friedensforum. Auch der vor Kurzem von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeführte freiwillige, heimatnahe Wehrdienst sei etwa mit der Corona-Pandemie begründet worden und explizit auf das Inland ausgerichtet.
Beide Organisationen fordern ein Umdenken in der Sicherheitspolitik: „Wir sehen deutlich, dass das Militär nicht die Lösung der großen für die Menschen sicherheitsrelevanten Probleme – die Corona-Pandemie und den Klimawandel – und sogar Teil des Problems ist“, erklären Regine Albrecht und Ekkehard Lentz. Die Kosten für das Militär stünden in Konkurrenz zu Ausgaben für den Gesundheitssektor sowie Katastrophen- und Klimaschutz. Die aktuelle Pandemie und die geplante Ausweitung des Bundeswehreinsatzes würden die falsche Politik der Bundesregierung der letzten Jahrzehnte offenlegen: „Wir müssen Militär abrüsten und den Gesundheitssektor, sowie den Katastrophen- und Klimaschutz ausbauen“, so Albrecht und Lentz."
Regine Albrecht, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Landesvereinigung Bremen
Ekkehard Lentz, Sprecher Bremer Friedensforum
Die Pressemitteilung ist vollständig auf der WEB-Seite des Bremer Friedensforums nachzulesen.
Update 16+17.10.2020:
Der Bremer Bürgermeister Bovenschulte bedankte sich auf Facebook für den großartigen Einsatz der Bundeswehr im Inneren:
"Ein großer Dank geht an die Bundeswehr für die tatkräftige Unterstützung der Gesundheitsbehörde in dieser schwierigen Lage."
Dem erwiderte das Bremer Friedensforum:
"Die angekündigte Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr in Bremen wie im gesamten Inland leistet der Militarisierung des zivilen Lebens weiteren Vorschub und höhlt das Grundgesetz aus. In Bremen öffnet die rot-grün-rote Regierung mit der Ankündigung, mehr Soldatinnen und Soldaten im Gesundheitsamt und sogar im Ressort selbst einzusetzen, eine weitere Tür zur Übernahme ziviler Aufgaben durch das Militär..."
Daraufhin Bovenschulte unter Ausblendung der Realität und der historischen Erfahrungen:
"Der Einsatz der Bundeswehr hat nichts mit einer Militarisierung des zivilen Lebens in Bremen zu tun."
Und wie weit die Bremer Linkspartei schon gesunken ist, ist zu erkennen an diesem Kommentar von Friedhelm Grützner (von Fraktionsgeschäftsführer Christoph Höhl geliked) zur Presseerklärung des Bremer Friedensforums auf der Facebook-Seite von Ekkehard Lentz:
"Was soll denn diese Korinthenkackerei? Ich habe wenigstens bisher nicht vernommen, dass in früheren Zeiten kritisiert wurde, wenn die Bundeswehr mit ihrem Personal und ihren Gerätschaften bei Flutkatastrophen oder bei Waldbränden zugegen war. Es ist doch ein großer Unterschied, ob die Bundeswehr in bewaffneter Form polizeiliche Aufgaben wahrnimmt oder ob sie bei der Nachverfolgung von Infektionen am PC tätig ist. Letzteres ist gewiss sinnvoller, als Geländeübungen oder Formalausbildung auf dem Kasernenhof. - Ansonsten steht es den Kritikern ja frei, sich in großen Scharen beim Gesundheitsamt zu melden, um dort die Infektionen nachzuverfolgen."
Antwort von Ekkehard Lentz:
"Korinthenkackerei? Aus der Friedensbewegung gab es immer schon Kritik an der Vermengung von zivilen Aufgaben mit dem Militär. Bei der Bewegung gegen die Notstandsgesetze Ende der 1960er, in den 1980er-Jahren gegen die Wintex-Cimex-Manöver, vor drei Jahren haben DIE LINKE Land Bremen und das Bremer Friedensforum gegen eine gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr vor dem Polizeipräsidium in Bremen demonstriert.
Friedhelm Grützner, Dein Kommentar ist auch nicht wirklich konsequent: Polizeiliche Aufgaben übernehmen, wenn es die Polizei nicht mehr schafft, ist dann doch sicherlich auch sinnvoller als Formalausbildung auf dem Kasernenhof..... Und auch in den Schulen, in den KiTas und in der Pflege fehlt das Personal.
In diesem Zusammenhang ein WESER-KURIER-Artikel [16.04.2020] Da steht unter anderem: Unter Leitung der Streitkräftebasis und des Kommandos Territoriale Aufgaben in Berlin stützt sich der neu aufgestellte Regionale Führungsstab 2 West auf Personal der 1. Panzerdivision und hält beispielsweise Truppenkontingente, die der Panzerlehrbrigade 9 in Munster unterstehen, für einen Einsatz in Bremen und um zu bereit. In Zahlen: Mehr als 4500 Soldaten können bei Bedarf kurzfristig in unserer Region eingesetzt werden."
Auf der Homepage dieser Panzerlehrbrigade schreibt die Bundeswehr über ihren Auftrag: "Die Panzerlehrbrigade 9 zählt zu den panzerstarken Kampfverbänden des Heeres. Sie plant und führt das hochintensive Gefecht zur Landes- und Bündnisverteidigung unter der Führung der 1. Panzerdivision oder zeitweilig übergeordneter NATO North Atlantic Treaty Organization - Kommandos." Die Munsteraner Brigade ist befähigt, multinationale Landoperationen bei friedenserhaltenden oder friedenserzwingenden Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu planen, vorzubereiten und auszuführen. Sie unterstützt die Ausbildung des Führungsnachwuchses der Bundeswehr, des gesamten Heeres und im Speziellen der gepanzerten Kampftruppen durch Lehrvorführungen, gleichsam als Schaufenster des Heeres, auf den nahegelegenen Übungsplätzen Munster und Bergen. Als sichtbares Zeichen der Anerkennung verlieh der Bundespräsident 1987 das Ärmelband „Panzerlehrbrigade 9“. Die Soldatinnen und Soldaten der Panzerlehrbrigade 9 vertrauen in ihrer Kampfkraft auf den Kampfpanzer Leopard, den Schützenpanzer Puma, das GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer, die Waffenträger Wiesel 1 MKMark und TOW, den Spähwagen Fennek, den Panzermörser M113, das Minenverlegesystem 85, den Brückenlegepanzer Leguan, den Pionierpanzer Dachs, den Minenräumpanzer Keiler und die Schwimmschnellbrücke Amphibie M3.
Das passt auch nicht so recht zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung."