Warum war Israel nicht auf den Angriff vorbereitet? Profitiert Netanjahu? Was war das Ziel der Hamas und was ist das Ziel Israels, wenn es den Gazastreifen in Schutt und Asche legt? Zum Gespräch heute nachmittag kam Moshe Zuckermann, der in Tel Aviv lebt, gerade aus dem Luftschutzraum, kurz nach dem Ende musste er schon wieder gehen. Das zeigt, dass die Bedrohung anhält und es ungewiss ist, wie es weiter geht. Das Land steht unter Schock und hat das Vertrauen in die Regierung und das Militär verloren.
Die große Frage ist natürlich, warum man auf den Angriff nicht vorbereitet war? „Das ist die 6-Millionen-Dollar-Frage. Ähnlich wie beim Jom-Kippur- oder Oktober-Krieg von 1973 haben die Geheimdienste total versagt. Man hätte es wissen können. Es heißt sogar, dass Israel vom ägyptischen Geheimdienst einen Tipp bekommen hatte, Netanjahu stellt das in Abrede. Aber wenn man nicht überheblich und arrogant die Einschätzung angenommen hätte, dass uns vom Gazastreifen im Moment keine Gefahr droht, hätte man das wissen können. Das ist so, wie es im Oktober 1973 war. Damals gab es Geheimdienstoffiziere, die gesagt haben, da spielt sich was ab, da finden Vorbereitungen statt, aber die Einschätzung war, dass Israel weder von Syrien noch von Ägypten bedroht ist.“
Wie immer man die Lage beurteilt, so kann man davon ausgehen, dass sie für Netanjahu günstig ist. Die Protestbewegung ist still, die Opposition stellt sich hinter Netanjahu, um gegen den Feind zu kämpfen, das Ausland solidarisiert sich: „Dass Netanjahu der Angriff zurechtgekommen ist, steht ganz außer Zweifel. So sehr, dass es sogar schon eine kleine Verschwörungstheorie aus dem Ausland gibt, dass Israel das mit initiiert hat. Das ist übrigens ein altes Muster, wenn man im Inneren Probleme hat, muss man eine Bedrohung von außen schaffen, um die inneren Probleme zu beseitigen. Ich kann allerdings nicht glauben, dass Netanjahu so weit gegangen ist, 1000 Leute zu opfern, nur damit die Protestbewegung zum Stillstand kommt.“
Netanjahu will nun die Hamas eliminieren und Gaza in Schutt und Asche legen. Die Frage ist, was mit dieser Racheaktion erreicht werden soll: „Das ist eine ausgezeichnete Frage, denn das ist auch das, was die Experten und die Fachleute sagen. Okay, wir wissen, dass Israel fähig ist, den Gazastreifen in Schutt und Asche zu legen, aber zu welchem Zweck? Was sollte denn danach kommen? Wer soll denn an ihre Stelle kommen? Wer soll das dann noch verwalten? Was soll denn dann dort sein? Und es ist ja vollkommen klar, dass man mit so einem Akt dann sozusagen dann alle Israelfeinde und alle radikalen Gruppen in der palästinensischen arabischen Welt nur legitimieren wird. Ich meine, es wird dann dem ja, es ist schon eine Katastrophe in Israel passiert, aber sie wird eine Kleinigkeit sein gegenüber der Katastrophe, die die Palästinenser in Gazastreifen erleiden müssen. Das heißt, wenn man nicht in irgendeiner Weise auch eine politische Lösung mitdenkt, dann würden sogar glaube ich Nationen sagen: „Okay, Hamas ist ausgeschaltet. Jetzt aber Frieden und politische Initiativen bitte.“ Das wird in Israel noch überhaupt nicht diskutiert.“
Weitere Stellungnahmen zu dem Konflikt auf der WEB-Seite des Bremer Friedensforums