In der 15. Sitzung der Bremischen Bürgerschaft am 7. und 8. Oktober 2020 (Tagesordnungspunkt 23) war in der Bürgerschaft geplant, über die nach Auffassung der FDP-Bürgerschaftsfraktion "extrem wichtigen" Rüstungsunternehmen zu debattieren. Wie auch die TAZ berichtet, wurde nun schon zum zweiten Mal die Debatte verschoben?! Über sieben Prozent der deutschen Rüstungsproduktion findet in Bremen statt, so wird geschätzt, das mache ca. 5 % der bremischen Wirtschaftsleistung aus, mit tausenden von Arbeitsplätzen. Das ist für die FDP Anlass genug, diese bedenkliche Entwicklung noch weiter zu fördern. Dem Frieden nützt das aber sicherlich nicht. Den Profiten der Eigner der Rüstungskonzerne nützt es auf jeden Fall, hat doch das "Corona-Paket" der Bundesregierung Milliarden für den deutschen Rüstungsstandort bereitgestellt, nicht etwa für Gesundheit sondern für Profite auf Kosten von Toten und Verletzen, von massiver (Umwelt)Zerstörung und Vertreibung von Menschen aus ihren Heimatländern weltweit. In alle Welt gehen nämlich bremische Rüstungsgüter. (Wir berichteten bereits ausführlich am 15. September)
Der Senat muss zugestehen, dass es im Rahmen seiner Wirtschaftsförderung doch den sog. "dual use" gibt, also "zivil" nicht immer nur zivil ist, sondern gleichzeitig auch genausogut militärisch genutzt wird. Der Senat drückt sich in seiner Antwort um eine klare Stellungnahme zum offensichtlichen Widerspruch zwischen der proklamierten Handlungsorientierung „Humanität“, „Völkerverständigung“ und „friedliche Entwicklung der Welt“ und der Bremer Realität herum. In Bremen entwickeln und produzieren die Firmen Rheinmetall Electronic, Atlas Electronic, Airbus Defense und Space, OHB und Lürssen u.a. Waffen und Kriegsgeräte (viele davon auch für den Export), die das Gegenteil von Befriedung und Stabilisierung in Spannungsgebieten bewirken. Dies gilt
• für militärische Auslandseinsätze und Export bestimmte Kampf- und Transportflugzeuge oder deren Teile in der Airbus Group und Premium Aerotec (Teile des Militärtransporters A400M und des Eurofighters). Airbus Defender und Space gehören zu den führenden Zentren der zivilen und militärischen Luftfahrtindustrie in Deutschland;
• für militärische und geheimdienstliche Auslandseinsätze und Export bestimmte Raumfahrtprodukte (Raketen, Satelliten, Weltraumrobotik) bei OHB, in der Ariane Group und bei Premium Aerotec. Seit OHB sich am SARah-Programm zur Weltraumaufklärung der Bundeswehr beteiligt, gehört der Konzern zu einem Unternehmen mit militärischen Anteilen. OHB ist auch involviert an Planungen für einen „Weltraumbahnhof“ in Nordholz und/oder in der Nordsee;
• für militärische Auslandseinsätze und Export bestimmte Torpedoproduktion, bzw. ihre Sensorik und Steuerung, bei ATLAS ELEKTRONIK GmbH und Rheinmetall Electronics GmbH. Atlas Electronic bietet Unterseebootsysteme wie Torpedos an. Rheinmetall Electronics liefert Missionsausstattungen sowie Ausbildungs- und Trainingslösungen an Streitkräfte. Das Systemspektrum umfasst automatische Zielerfassungssysteme, Laserzielsysteme, Simulatoren für Kampfflugzeuge, Gefechtsübungszentren;
• für militärische Auslandseinsätze und Export bestimmte Kriegsschiffproduktion oder deren Teile in der Friedrich Lürssen Werft GmbH & Co. KG; Lürssen hat die Führungsrolle im deutschen Marine-Werftenverbund übernommen. Die geplante Aufrüstung der deutschen Bundesmarine mit weltumspannenden Einsatzmöglichkeiten ist ein fatales Signal für noch mehr Auslandseinsätze. Die vier Fregatten (F 125), die fünf Korvetten (K 130), aktuell sind fünf weitere Neubauten dieses Typs im Gespräch, und die sechs „Mehrzweckkampfschiffe“ (MKS 180) sind zum Großteil für kommende Auslandseinsätze konzipiert. Dem Jahresbericht 2019 des Marinekommandos ist zu entnehmen, dass zum Beispiel die „Mehrzweckkampfschiffe" für den weltweiten Einsatz zur „dreidimensionalen Seekriegsführung" (Ziele unter Wasser, auf dem Wasser und in der Luft) vorgesehen sind.
Die Umstellung von Rüstungs- auf Zivilproduktion, der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichet, gehört weiterhin auf die Tagesordnung. Die Sorge der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie um ihre Arbeitsplätze ist nachzuvollziehen, doch könnten die Bremer Betriebe stattdessen Arbeitsplätze langfristig sichernde Alternativen entwickeln. Das wäre nachhaltig und zukunftssichernd. Zusammen mit den Beschäftigten und ihren Betriebsräten, mit Wissenschaftlern der Universität, sollte die Rüstungskonversionsinitiative des Bremer Senats, die ab 1991 gestartet wurde, wieder angegangen werden. So würde der Präambel der Bremer Regierungskoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke für 2019 bis 2023 glaubhaftes Leben eingehaucht werden: "Unser Handeln orientiert sich an Humanität. Wir setzen uns mit unseren Möglichkeiten für Völkerverständigung und für die friedliche Entwicklung der Welt ein. Dazu gehört auch ein Verbot von Rüstungsexporten in Krisengebiete."
Eine pdf einer Presseerklärung des Bremer Friedensforums dazu steht hier zum Download bereit.