Das mit Gästen und einer Referentin von "Mehr Demokratie e.V." erweiterte Aktionsgruppentreffen am 16. April um 19:30 Uhr war geprägt von dem Hauptdiskussionsthema: „Vergesellschaftung von renditeorientierten Wohnungskonzernen in Bremen mithilfe eines Volksentscheids – Wie kann das gehen ?“
Das Volksentscheids-Verfahren hat hohe Hürden und es kommt wesentlich auf eine breite Massenbewegung von "unten" an. Es muss strategisch klug vorbereitet werden, z.B. auch was den Zeitpunkt betrifft (z.B. parallel zur Bürgerschaftswahl). Es kann scheitern an nicht ausreichenden gültigen (!) Unterschriften für das vorgelagerte Volksbegehren (25.000), an einem unwilligen, den Prozess verzögernden oder sabotierenden Bremer Senat, am Staatsgerichtshof und nicht zuletzt am Nichterreichen des hohen Quorums von 25% der Wahlberechtigten, in Bremen ca. 90.000, die dafür stimmen müssen (mehr als die NEIN-Stimmen selbstverständlich). Der vorher penibel ausformulierte Gesetzestext, der im Volksentschied zur Abstimmung gestellt wird, darf zudem die bremischen Haushaltsgrenzen nicht entscheidend aus den Angeln heben. - Das waren nur die rechtlichen Hürden. Natürlich kommt es darauf an, dass nach Artikel 15 GG die Entschädigung an die bisherigen Aktionäre/Eigner deutlich unter Marktwert stattfindet, was rechtlich - nach Gutachten der Berliner Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" - möglich ist. Wie das Berliner Beispiel zeigt, löst schon der Gedanke, das Grundgesetz ernst zu nehmen und das Privateigentum weniger reicher Investoren an dem gemeinnützigen Gut (Boden und Wohnungen) anzutasten, einen hitzigen öffentlichen Diskurs aus und gefährdet die Renditen von Investoren wie Black Rock u.a. . Insofern ist die Debatte sehr sinnvoll und nützlich.
Weitere Hintergrundinformationen zur dramatischen Lage auf dem "Wohnungsmarkt" in Bremen für Menschen mit kleinem Geldbeutel:
Die Lage ist geprägt von: Wohnungsnot, Bodenspekulation, Verdrängung einkommensarmer Menschen aus den stadtzentralen Bezirken, Auslieferung der Bürger*innen an renditeorientierte Konzerne, Schwund an Sozialwohnungen von 1990 (80.000) auf 2016 (8.000), Verkauf des bremischen „Tafelsilbers“ (kommunaler Boden und Wohnungen) zum Stopfen von Haushaltslöchern, Auslieferung der ehemals kommunalen „Bremischen“ und „Beamtenbau“ an Investoren und aktuell Verscherbelung von Grund udn Boden des „Krankenhaus-Hulsberg-Geländes“ zu Spekuiationspreisen von 1500 Euro/qm.
Fast jeder zweite Haushalt in Bremen muss heute angesichts niedriger Löhne und hoher Armutsquoten mehr als 30% seines Einkommens für Miete ausgeben und „wohnt sich deshalb arm“. Gewerkschaftlich erkämpfte Lohnerhöhungen können mit den Mietpreissteigerungen schon lange nicht mehr mithalten, die Hartz IV Sätze (bzw. die KdU darin) decken die Mietsteigerungen nicht, oder mit Verzögerung. Statt Milliarden Steuergelder für Wohngeld und „Kosten der Unterkunft (KdU)“ den renditejagenden Wohnungskonzernen auszuliefern („Subjektföderung“), sollten diese staatlichen Milliarden für kommunale und genossenschaftliche Projekte gemeinnützig investiert werden („Objektförderung“). Der deutsche Städtetag fordert das schon lange.
Laut einer Studie der Hans Böckler Stiftung fehlen in Bremen über 54.000 bezahlbare Wohnungen, in Bremerhaven 10.000. Einkommensärmere Menschen, besonders in Bremen zahlreich vertreten, sind besonders auf Mietwohnungen von ca. 5 Euro pro Quadratmeter (Bruttokaltmiete) angewiesen. Aber die zu 75,1% in kommunalem Aktienbesitz befindliche (auch renditeorientiert agierende) GEWOBA mit ca. 40.000 Wohnungen liegt im Bestand im Durchschnitt schon bei 6,04 (2017) Euro/qm. Die durchschnittlichen Bestandsmieten lagen in Bremen 2018 bei 6,24 in der Vahr und 6,72 in der Stadtmitte. Die bei Wohnungsuchenden fälligen Angebotsmieten lagen 2017 schon bei 7,09 in der Vahr und 9,69 in der Stadtmitte. Deshalb versucht jede*r, der/die kann, Umziehen tunlichst zu vermeiden. Bei den Mietsteigerungen und im prozentualen Anteil für Miete am Einkommen (Platz 5 der Großstädte) gehört Bremen bundesweit zu den traurigen Spitzenreitern. Ca. die Hälfte der Mietere*innen müssen über 30% ihres Einkommens für Miete ausgeben.
Die bisher von den letzten sechs Landesregierungen (SPD, CDU, Grüne) seit 1995 angewandten und propagierten Instrumente, nämlich „mehr Bauen“ mithilfe privater Investoren, hat den Sozialwohnungsschwund nicht aufhalten können und fördert nach kapitalistischer Logik die Schaffung renditebringender hochpreisiger Wohnungen; die 20-jährige Sozialbindung von 25% der Wohnungen - staatlich gefördert, ist nach 20 Jahren obsolet, danach schiessen die Mieten auch hier nach oben, "Normal"-Mieter*innen werden verdrängt. Wir erleben einen so nicht aufzuhaltenden brutalen Prozess der Spaltung der Stadt; an den Landesaußenbezirken enstehen immer größere sog. "Problembezirke", um die sich dann die Soziale Arbeit kümmern soll.
Wohnbedarfe haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert, es fehlen bezahlbare Kleinwohnungen für immer mehr Einzelhaushalte (viele einkommensarme Alte darunter) unterer Einkommengruppen (besonders für Studierende und Einelternhaushalte, meist Frauen) und Wohnungen für große Familien. Wohnungsnotfälle und Räumungsklagen nehmen deutlich zu. Unerträglich ist die Lage für die steigende Zahl der gesellschaftlich an den Rand gedrängten Menschen; erkennbar insbesondere an der steigenden Wohnungslosigkeit (Tausende als "Sofa-Hopper" bei Verwandten/Freunden) und der Obdachlosigkeit (ca. 500). Hier kann nur auf kommunalem oder genossenschaftlichem Besitz basierender, bewusst privilegierter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum Abhilfe schaffen und nach Artikel 14 unserer Landeserfassung jedem Bewohner eine menschenwürdige Wohnung garantieren.