Die Gentrifizierung, die Vertreibung Einkommensärmerer aus den stadtzentralen Bezirken Bremens schreitet - wie in allen Städten - munter voran und alle Bremer Regierungskoalitionen in den letzten 30 Jahren, egal ob SPD, CDU oder Grüne - in welcher Mischung auch immer - waren dabei tatkräftige Helfershelfer renditesuchender Betongold-Investoren. Ein kommunales Boden-Sahnstück nach dem anderen wurde, zuletzt unter dem Schuldenbremsen-Regiment einer grünen Finanzsenatorin Linnert, vertickt, um damit "den Haushalt" zu finanzieren; bzw. im Falle des Hulsberg-Viertels den kommunalen Krankenhaus-Neubau St. Jürgen. Diese Daseinsvorsorge ist nicht etwa in demokratisch kontrollierbarer Weise und auch nicht gemeinwohlorientiert in den Händen unserer Kommune organisiert. Weit gefehlt ! Unsere PolitikerInnen haben beschlossen, dass Krankenhäuser als GmbHs neuerdings Gewinne abwerfen müssen, und wenn sie es nicht tun, ist das eine empörte Schlagzeile im Werkurier wert: "Der GENO droht die Insolvenz".
Nun vermeldet der Weserkurier fast monatlich die Zerfledderung des öffentlichen Krankenhausgeländes St. Jürgen zwischen Viertel und Peterswerder, auch Hulsberg-Viertel genannt, zu Boden-Höchstpreisen. "Aus dem Verkauf der Grundstücke werden nach der letzten Erlöskalkulation im Mai 2018 Gesamteinnahmen von rund 84 Millionen Euro erwartet, deutlich mehr als zu Beginn der Planungen veranschlagt wurde – da waren es zwischen 38 und 54 Millionen Euro." (WK 20.10.2019) So funktioniert staatlich angefeuerte Bodenspekulation, fast das doppelte in wenigen Jahren. Unsere Volksvertreter mischen kräftig mit und machen aus unserem Boden eine Ware, ein Geschäft. In wessen Namen (oder in wessen Auftrag?) tun sie das eigentlich?
In der Bremer Landesverfassung steht in Artikel 45 (Auszüge):
"1. Der Staat übt eine Aufsicht darüber aus, wie der Grundbesitz verteilt ist und wie er genutzt wird. ... 2. Enteignet werden kann Grundbesitz auf gesetzlicher Grundlage, ... b) soweit sein Erwerb zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses ... nötig ist 3. b) zur ... Erschließung von Baugelände und zur Herbeiführung einer zweckmäßigen Gestaltung von Baugrundstücken. ... 4. Grundbesitz ist der Spekulation zu entziehen. Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen."
Warum nicht mehr Grundstücke in Erbpacht vergeben werden? fragt der Weserkurier. Geschäftsführer Florian Kommer (vorgehesehen ab 30.11.2019 für den Landesschatzmeister der Grünen) von der für den Verkauf zuständigen GEG (Grundstücksentwicklungsgesellschaft) antwortet: „Bei Gründung der GEG war dieses Thema nicht Stand der politischen Diskussion“... „Allerdings erreichen mich Signale [... hört die Signale!], dass die Vergabe in Erbpacht auch für das Neue Hulsberg-Viertel zu prüfen ist.“ Er verweist zudem auf die Aussagen im Koalitionsvertrag. Beim Projekt Bettenhaus werde das Erbbaurecht im Rahmen des bestehenden Angebots geprüft."
Und was haben die, angesichts einer empörten und wachsenden Mieterbewegung, offensichtlich etwas geläuterten, jetzigen Bremer Regierungsvertreter dazu zu sagen? (zitiert laut WK 20.10.2019):
SPD: „Es ist ein unfassbar teures, hochpreisiges Areal“, sagt Falk Wagner, baupolitischer Sprecher der SPD. ... „Klar ist aber auch, dass die Geno die Areale nicht verschenken kann“. [Hat "die Geno" mit der Stadt Bremen nichts zu tun?]
GRÜNE: „Es ist eine ganz ungute Entwicklung, die die Mischungsziele gefährdet“, sagt Robert Bücking, in der Grünen-Fraktion für Stadtentwicklung und Baupolitik zuständig. Was die Preise der Grundstücke angehe, sei man an der „allerobersten Grenze“ angelangt, die Verkehrswerte der Areale hätten sich seit dem Start der Planungen für das Quartier verdoppelt. „Familien haben kaum noch die Chance, hier etwas zu bekommen“, so Bücking. Das widerspreche einer vernünftigen Stadtentwicklungspolitik, „aber Abhilfe zu schaffen ist schwer.“ Eine Handlungsmöglichkeit sei, so Bücking, dass die Stadt der Geno das Grundstück abkauft beziehungsweise es aus dem Sondervermögen der Grundstücksentwicklungsgesellschaft (GEG) zum Verkehrswert herauslöst. Dann könne die Stadt langfristig planen und Flächen auch in Erbpacht vergeben. Nach 30 Jahren hätte die Stadt dann den Kaufpreis wieder im Sack und könnte die nächsten 60 Jahre „Zinsfreuden“ genießen. „Das müssen wir in den Haushaltsverhandlungen diskutieren“, sagt Bücking. Es müsse versucht werden, einen Spielraum für Baugemeinschaften und Baugenossenschaften zu schaffen. Nur so könnten gemischte Gebiete entstehen und dem Mittelstand eine Chance gegeben werden. Die GEG um Geschäftsführer Florian Kommer befinde sich in einer Zwickmühle der Interessen. ["Zum Verkehrswert herauslösen" heißt mit Steuergeld die immense Spekulation (Verdoppelung) zu bezahlen]
LINKE: Ähnlich sieht es Klaus-Rainer Rupp, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion die Linke: „Es gibt einen Zielkonflikt: Einerseits ist es für die soziale Durchmischung des Quartiers wichtig, den Genossenschaften und gemeinnützigen Initiativen Grundstücke zu bezahlbaren Bedingungen auf dem Hulsberg zur Verfügung zu stellen – andererseits gibt es die Notwendigkeit, angemessene Einnahmen für die Geno zu erzielen.“ Die Linken wollen diesen Zielkonflikt nicht so auflösen, dass Genossenschaften und gemeinnützige Initiativen aus dem Rennen seien. „Es ist deshalb notwendig, zu prüfen, wie man Genossenschaften besser unterstützen kann, etwa über Bürgschaften oder die Vergabe in Erbpacht“, so Rupp. ["Notwendigkeit, angemessene Einnahmen für die Geno zu erzielen". Seit wann sind Linke dafür, dass kommunale Krankenhäuser "angemessene Einnahmen" für Neubauten aus Bodenspekulation erzielen ?]
Da reibt sich der verwunderte Bürger/Bürgerin die Augen und denkt sich seinen/ihren Teil und träumt vielleicht von einer Zeit, in der kommunaler Boden einem gemeinwohlorientierten Zweck dient und Wohnungen demokratisch/kommunal/genossenschaftlich von den MieterInnen verwaltet werden und nicht von GmbHs udn Aktiengesellschaften. Eine Zeit, in der die Superreichen ordentlich besteuert werden, die Kommunen wieder handlungsfähig sind und alle nur noch lachen, wenn sie an die anachronistischen Zeiten der "Schuldenbremse" denken.
Artikel 14 Bremer Landesverfassung: (1)
Jeder Bewohner der Freien Hansestadt Bremen hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Es ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden, die Verwirklichung dieses Anspruchs zu fördern.