Die grüne Bausenatorin Schäfer und Bürgermeister Bovenschulte wollten sich angesichts weiter steigender Mieten, explodierender Immobilienpreise, zum Aussterben tendierender Sozialwohnungen in Bremen und einer wachsenden Mieterbewegung gerne als soziale Mieter-Wohltäter inszenieren. Buten un Binnen, Bildzeitung, Weserkurier und viele andere wurden gebrieft. Am 4. März hieß es z.B. im Weserkurier "Bremer Senat will sozialen Wohnungsbau stärken".
Da muss dann doch einiges zurechtgerückt werden: Im Koalitionsvertrag haben die drei Bremer Koalitionäre (SPD, Grüne, Linke) die wohlklingende Absicht erklärt, die Veräußerung kommunalen Grundbesitzes zu beenden (statt über Bodenverkauf den Haushalt quer zu finanzieren), mehr auf eigene kommunale Bautätigkeit zu setzen und bei Fremdvergabe kommunalen Grundbesitzes an andere, das Mittel langfristiger Erbpacht einzusetzen, d.h. den kommunalen Boden z.B. für 90 Jahre zu "vermieten". Denn nur so lässt sich gemeinnützige stadtplanerische Handlungsfähigkeit sichern und erhalten. Es formiert sich ein wachsender Konsens unter sozial-ökologisch orientierten Kommunalpolitikern und StadtplanerInnen über die Notwendigkeit eine neuen Bodenpolitik. So hatte der Bremer Senat und das Bauressort vom 23.-25.August 2018 auf den "Wohntagen Bremen" extra Stephan Reiß-Schmidt, den ehemaligen Leiter der Stadtentwicklungsplanung München, zu einem Vortrag eingeladen mit dem Titel: "Warum wir für lebenswerte Städte eine bodenpolitische Wende brauchen".
Auf der WEB-Seite der SPD Fraktion im Bundestag heißt es dazu ganz richtig: "Hans-Jochen Vogel fordert eine soziale Bodenpolitik. Eine nachhaltige und sozial gerechte Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik ist ein entscheidendes Thema unserer Zeit. Die in vielen Städten mittlerweile dramatische Verknappung und Verteuerung von Wohnraum und Bauland fordert Politik und Gesellschaft auf, Antworten und Lösungen zu liefern. Es gibt zahlreiche wichtige Initiativen, die sich für einen gemeinwohlorientierten Umgang mit dem Boden einsetzen, wie etwa die Berliner Initiative "Stadt Neudenken", die Initiative „Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik“ oder die Stiftung trias. Die Bodenpreise haben erhebliche Auswirkungen auf die Mieten. Hans-Jochen Vogel hat bereits in den 1970ern-Jahren Überlegungen für eine Reform des Bodenrechts vorgestellt. Der Kampf für eine soziale Bodenreform wurde zu seinem politischen Herzensanliegen. Sein Gesetz zum so genannten Planungswertausgleich fand für kurze Zeit sogar bei der politischen Konkurrenz eine Mehrheit. Ein allgemeiner Planungswertausgleich im Planungsrecht scheiterte dennoch – obwohl weit fortgeschritten – im Bundesrat. Das Allgemeinwohl hatte daraufhin für lange Zeit den Kampf gegen die Bodenspekulation verloren.[...] Eine soziale Bodenreform sollte im Lichte der heutigen Gegebenheiten ganz neu gedacht und bewertet werden. Weil Boden zur lukrativen Anlage für das globale Finanzkapital und zum Spekulationsobjekt geworden ist. Für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind die politischen Handlungsmaßnahmen, die sich aus diesem Zustand ergeben, klar: Wir müssen den Kampf gegen Bodenspekulation aufnehmen."
In dem nun pressewirksam verkündeten "Sozialwohnungsprogamm" von Bausenatorin Maike Schäfer spielt das alles keine Rolle. Bremer Grundbesitz soll weiter an profitorientierte Investoren veräußert werden und Bremer Steuergeldförderung soll diesen profitorientierten Großunternehmen (Zech und Grosse gehören immer dazu) dann noch hinzugebuttert werden, um - so wird sugggeriert - den Bestand an Sozialwohnungen zu erhöhen. Eine wunderbare Inszenierung, die aber einer Realitätsprüfung nicht standhält. Abgesehen davon , dass im Koalitionsvertrag ohnehin nur von "den Voraussetzungen" für die Zielmarke 10.000 Sozialwohnungen bis Ende der Legislaturperiode die Rede ist, werden die genannten halbherzigen Maßnahmen den langfristigen Trend zur Schrumpfung der Sozialwohnungsbestände in Bremen (und auch anderswo) nicht aufhalten können. Gegen die in rasantem Tempo "aus der Bindung rausfallenden Sozialwohnungen" kann nicht gegenangebaut werden. Das kann nur mit einer sozialen Bestandspolitik geschehen. Im "Monitoring Bauen und Wohnen -Stadt Bremen 2019" sind die entsprechenden Prognosezahlen und Schaubilder (siehe Grafik) öffentlich einsehbar.
Ja, die vom Senat verkündete Anhebung der "Bindung" öffentlich geförderter Sozialwohnungen auf nun 30 Jahre ist sicherlich besser als die bisherigen 20 Jahre; ja, mehr Erwerb von Sozialbindungen im Bestand ist besser als der totale Schwund; ja, dass nun bereits ab 20 Reihenhäusern (statt vorher 50) die 30%ige Sozialwohnungsquote einzuhalten ist, ist zu begrüßen; aber diese Tropfen auf den heißen Stein als Wende zu verkaufen, ist unredlich. Dafür wären dann ganz andere Maßnahmen nötig: 60 Jahre Sozialbindung (am besten unbefristet), eine konsequente soziale Wohnungsbestandspolitik, preisgünstige Rekommunalisierung großer Wohnungsbestände (z.B. nach dem Vorbild von "Deutsche Wohnen & Co enteignen") und wenn schon bauen, dann in großem Umfang genossenschaftliches oder kommunales Bauen mit Gesellschaften öffentlichen Rechts als Bauträger; mit gemeinnütziger Verwaltung der Wohnungsbestände; mit echter Beteiligung der MieterInnen. Im jetzt (28. März) anlaufenden Bürgerantrag "Mietendeckel Bodendeckel" wird mindestens 40 Jahre Sozialbindung gefordert, ein Mietpreisstopp für 5 Jahre und die Beendigung des Verkaufs kommunalen Grundbesitzes.
Das grüne Bremer Bauressort setzt weiter auf längst überholte neoliberale Konzepte und ungebrochen auf Bodenverkauf (siehe z.B. das Hulsberg-Gelände), womit die kommunale Handlungsfähigkeit als Folge der damit einhergehenden dominanten Rolle der privaten Bauträger noch weiter an den "freien Markt" ausgeliefert wird. Die elementare Daseinsvorsorge, die Wohnungs- und Bodenfrage kann mit kapitalistischen Marktkräften nicht beantwortet werden. Wer anderes behauptet - mit Vorliebe die FDP - vertritt eine in den letzten 30 Jahren komplett widerlegte Propagandalüge. In Wirklichkeit wird die private Wohnungswirtschaft in Deutschland mit über 20 Milliarden jährlich an KdU (Kosten der Unterkunft) und Wohngeld (sog. Subjektförderung) plus unzählige Sozialwohnungsförderinstrumente und Steuervergünstigungen aller Art hochsubventioniert und schafft trotzdem langfristig nur hochpreisige Wohnungen; nicht aus Bosheit, sondern aus dem Verwertungsdrang des Kapitals heraus; die Kapitalisten selbst sind profitabhängige Akteure (vgl. Wolfgang Streeck 2018)
Die profitorientierten Investoren werden sich nun zwar ein bisschen über die 10 Jahre Sozialbindungserhöhung ärgern, aber trotzdem gerne diese öffentlich geförderte soziale Zwischennutzung in ihre Gewinnkalkulation einpreisen, Teile davon auf die anderen Mieter (die 70% nicht gefördeten) abwälzen und sich nach 30 Jahren die profitablen Hände reiben. Diese niedrigen Sozialbindungen sind Betrug an den WählernInnen, den SteuerzahlerInnen und einmalig niedrig in Europa. Übrigens: auch in Deutschland gibt es Städte, die längst bei 60 Jahren Sozialbindung sind. Das grüne Bremer Bauessort sollte mal nach Wien reisen und sich anschauen, wie echte soziale Wohnungspolitik seit 100 Jahren, von Sozialdemokraten damals gestartet und beibehalten, ganz real umsetzbar ist. Auch innerhalb des Kapitalismus, den wir mit all unseren Kräften aus der Daseinsvorsorge genauso wie aus der Gesundheitsvorsorge und der KiTa- und Schulversorgung raushalten müssen. Dafür brauchen wir einen starken Sozialstaat, der diesen Investoren qualifiziert Paroli bieten kann. Wir sollten Schluss machen mit dem von der FDP befeuerten Beamtenbashing und ihrer Überbürokratisierungspropaganda.
Die gleichzeitig vom Bremer Senat angekündigte "Förderung" der Genossenschaften mit erbärmlich wenigen 3,5 Millionen Euro kann - angesichts eines riesigen Nachholbedarfes - nur als Witz bezeichnet werden. Bremen ist Schlusslicht was Genossenschaftsförderung betrifft. Das mindeste wäre z.B. der Hulsberg Genossenschaft das Bettenhaus auf dem St. Jürgen Krankenhaus Gelände auch wirklich zur Schaffung bezahlbarer Wohnungen zu überlassen (zu niedriger Erbpacht), statt - wie geplant - es abzureißen und dort ein Parkhaus zu bauen.
Der Sinn des Wirtschaftens im Kapitalismus ist zweifellos nur die profitable Verwertung des investierten Kapitals. Die sog. "freien Märkte" gibt es nicht, wie an der Monopolisierung der Wohnungswirtschaft in den Händen riesiger internationaler Finanzinvestoren wie Black Rock, Vanguard und State Street (Großinvestoren in Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG) anschaulich zu sehen. Und diese monopolisierten "Märkte" führen auch nicht "hinter dem Rücken" der Tauschwaren (Immobilien und Boden) handelnden Akteure zu der behaupteten Gemeinwohlausrichtung; das ist ein Hayek'sches Märchen, das nur den 1% Superreichen nützt. Die letzten 30 Jahre haben es gezeigt: Kapitalismus kann nicht der Daseinvorsorge dienen, es zerstört diese. Die Mehrheit der arbeitenden Menschen in diesem Land müssen die Folgen dieser falschen neoliberalen Ausrichtung nun schon seit Jahrzehnten erdulden und "wohnen sich arm". Keine Gewerkschaft kann dagegen Tarifkämpfe führen. Die soziale Spaltung der Städte wächst dramatisch und das bleibt nicht ohne Folgen für das politische Klima. Die Menschen fühlen sich von diesem System nicht mehr vertreten, sondern verraten.
Was wir brauchen ist eine Neuausrichtung am Gebrauchswert Wohnung, an der kommunalen Daseinsorsorge in demokratischer Eigenregie (commons) der hier lebenden Menschen als leitendes Prinzip. In der Wohnungsfrage, wie auch in der Ökologiefrage - SYSTEMCHANGE!
(Rodolfo Bohnenberger)