Boden und Mietwohnungen in kommunale und genossenschaftliche Hand

Wer den Beitrag im Weserkurier vom 13.05.2020 mit der Überschrift "Weil das Geld momentan fehlt - 500 Gewoba-Mieter mit Zahlungsproblemen" ganz zu Ende liest, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. (von Rodolfo Bohnenberger, update 14.05.2020)

GEWOBA umwandeln ffentlichDa heißt es: "Bei den Geschäftszahlen konnte die Wohnungsgesellschaft an das Vorjahr anschließen. Sie erwirtschaftete einen Gewinn in Höhe von 29,5 Millionen Euro gegenüber 29,1 Millionen Euro im Vorjahr. 13,7 Millionen Euro davon wandern in die Rücklagen, knapp 15,8 Millionen Euro gehen als Dividende an die Anteilseigner. Entsprechend bekommt die Stadt Bremen, die 75,1 Prozent der Anteile hält, mehr als 11,8 Millionen Euro, die Sparkasse Bremen mit ihren 21,7 Prozent der Anteile mehr als 3,4 Millionen Euro sowie die Elbe-Weser-Sparkasse mit 3,2 Prozent mehr als 500.000 Euro. Allerdings konnten sich die Gewoba-Besitzer im Vorjahr noch über 22 Millionen Euro freuen. Jedoch will das Unternehmen mit den Einzahlungen in die Rücklagen die Bautätigkeiten für die kommenden Jahre sichern."  

"Bremens öffentliche Wohnungsbaugesellschaft Gewoba" ? Nehmen wir diesen Euphemismus (Beschönigung) doch mal ernst. Wie wär's mit der Umwandlung in eine Gesellschaft öffentlichen Rechts? Und deren Regeln wären: Bremer Bürger und MieterInnen können paritätisch mitentschieden und die im Aufsichtsrat sitzenden PolitikerInnen tagen nicht mehr (wie jetzt) geheim, mit Verbot (laut Aktienrecht) die Öffentlichkeit über das Geschäftsgebaren zu informieren. Stattdessen müssen sie sich gegenüber dem kommunalen Gemeinwesen öffentlich verantworten. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Aktiengesellschaften Vonovia, LEG und Grand City Properties, die ihrem Sitz meist auch noch im Steuerpradies Luxemburg haben.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben in Artikel 15 vorgesehen (https://dejure.org/gesetze/GG/15.html): "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. ..."

Für eine gemeinnützige Verwendung der 1200 Millionen des sog. "Bremen-Fonds", der die "Folgen der Corona-Krise bekämpfen soll" gäbe es auch ein paar sinnvolle Ideen: Ein großes kommunales und genossenschaftliches Wohnungskauf und -bauprogramm für wirklich bezahlbare Mietwohnungen, sowie Sicherung und Rekommunalisierung von Grund und Boden, um soziale und ökologische Stadtentwicklung gestalten zu können. - Für MieterInnen sind die Beschlüsse der Bundesregierung (nur 3-monatige Stundung der Miete ohne jeden Ausschluss von Klagen, Pfändungs- und Zinsverpflichtungen) völlig unzureichend. Es droht für zehntausende KurzarbeiterInnen eine Welle gefährdeter Mietverhältnisse, die sich bis Ende 2021 (Ende der Stundungsmöglichkeit) hinziehen wird, und die ohnehin laufende Gentrifizierug noch mal kräftig anheizen wird.

Presse und Rundfunk zur Wohnungsfrage:

LEG in Gröpelingen, wie zu erwarten, typisch "verhaltensauffällig": Wie der Weserkurier 07.05.2020 berichtet, häufen sich nun (April/Mai) die Beschwerden über nicht vorhandene oder schwer erreichbare Hausmeister und nicht beseitigten Müll vor den Wohnblocks beim neuen Eigentümer LEG. Empörte Mitanwohner würden stattdessen bei ihrem Versuch auf die Mängel hinzuweisen, an einen Telefonservice in der Düsseldorf LEG-Zentrale verwiesen. Bremen und seine beiden städtischen Mietwohnungsunternehmen konnten Ende Januar finanziell nicht mitbieten, als der Vorbesitzer (die BAUM Gruppe aus Hannover) Verkaufsabsichten signalisierte.  So konnte der mit renditesuchenden Anlagesummen ausgestattete Riesenkonzern mit ca. 136.000 Wohnungen in Deutschland, die LEG, zuschlagen und 1.100 Bremer MIetwohnungen von der BAUM Gruppe aufkaufen.

Nach LEG nun Adler Real Estate - Kapitalkonzentration auf dem Wohnungs"markt": Während wir uns solidarisch mit Wohnungslosenhilfe und Nachbarschaftshilfe beschäftigen, haben Wohnungskonzerne andere "Sorgen". Aus mittleren Miethaien werden gerade Riesen-Miethaie fusioniert. Jüngstes Beispiel: ADO Properties fusioniert Ende März 2020 (siehe Handelsblatt vom 30.03.2020) mit Adler Real Estate und dem Projektentwickler Consus Real Estate und entwickelt sich in Deutschland mit über 80.000 "Einheiten" (Wachstum eingeplant) im Wert von 8,6 Milliarden Euro zum Big Player der börsennotierten Wohnungskonzerne, steuergünstig angesiedelt in Luxemburg. Wir sind also Zeuge weiterer Kapitalkonzentration und Monopolisierung, zum Nachteil der ohnehin schon gebeutelten MieterInnen (und wie zu lesen auch der Kleinaktionäre); und auch zum Nachteil von kommunaler Steuerungsfähigkeit und Stadtentwicklung. Adler Real Estate hat - laut eigenem Internetauftritt - seit 2017 ca. 693 Wohneinheiten in Osterholz-Scharmbeck und Schwanewede, im direkten Einzugsgebiet von Bremen. Deren katastrophaler Zustand und Wohnungsverwaltung wurde im Weserkurier vom 31.05.2019 kritisiert . In der Metropolregion Bremen/Bremerhaven soll Adler Real Estate 2019 nun 873 "Einheiten" mit je durchschnittlich 63 qm Wohnfläche und einer Durchschnittsmiete von 6,28 Euro/qm haben. In Wilhelmshaven ist der Konzern richtig dominierend mit 6.896 Wohnungen, in denen fast 20.000 Menschen leben.Diese Wohnungen gehörten ursprünglich dem gemeinnützigen, städtischen Wohnungsbaunternehmen JADE.

Im Deutschlandfunk (29.03.2020) setzt sich Timo Rieg  mit der von ihm angezweifelten „Eigentumsreligion“ am Beispiel Grund und Boden auseinander: Freier Markt und Grundrecht auf Eigentum. Aber muss die Gesellschaft unbedingt so funktionieren? Wie sähe sie ohne die aus? Hier der LINK zum Beitrag im Deutschlandfunk.

Keine Grundsteuer-Umlage auf die Miete - Mietimmobilienbesitzer sollen sie alleine zahlen: "Wer von steigenden Immobilienpreisen und Immobilienwerten profitiert, soll auch die darauf entfallende Steuer zahlen.“ Das fordert der Deutsche Mieterbund. Diese von allen Mieterverbänden mit recht kritisierte Abwälzung der Grundsteuer in der Betriebskostenabrechung auf die Mieter muss wahrlich beendet werden. Ein erster Versuch im Bundestag (unterstützt von Grünen und Linken) scheiterte an der CDU in der großen Koalition und - wie könnte es anders sein - an der FDP. Vorgesehen war, das Bürgerliche Gesetzbuch sowie die Betriebskostenverordnung zu ändern. Das Land Berlin hat daraufhin im Herbst 2019 eine Bundesrats-Initiative für ein "Mieter-Grundsteuer-Entlastungsgesetz" gestartet, die die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieter abschafft. Von einer entsprechenden Bremer Initiative konnten wir bisher noch nichts vernehmen ?