Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu und Bremer Friedensforum - Pressemitteilung 3. Mai 2021
76. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus
280 sowjetische NS-Opfer wurden 1948 nicht vom „Russenfriedhof“ nach Osterholz umgebettet
Die Stadt Bremen verfolgt weiterhin unbeirrt eine „In-Wert-Setzung“ des Grundstücks Reitbrake durch die Ansiedlung einer Bahnwerkstatt
Bremen. Das Bremer Friedensforum und die Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu fordern anlässlich des 76. Jahrestages der Kapitulation Deutschlands eine wahrhaftige, schonungslose, präzise und transparente Aufarbeitung der Geschichte des Gräberfelds sowjetischer Naziopfer, des sogenannten „Russenfriedhofs“ und der hier bestatteten Menschen. Dieser Ort ist eine Kriegsgräberstätte nach internationalen Abkommen. Hier sollte nun eine würdige Gedenkstätte errichtet werden.
Eine von der Hafenbehörde angestrebte "In-Wert-Setzung des Grundstücks" verbietet sich vor dem Hintergrund der schrecklichen Geschichte dieses im Eigentum der Stadt Bremen befindlichen Grundstücks.
Die Zeit der Vertuschungen von Kriegsverbrechen muss ein Ende haben und es muss Raum für ein angemessenes Gedenken gerade an dieser Stelle, wo die unzähligen Verbrechen verübt wurden, geben. Die Bahnwerkstatt ist an einem alternativen Standort in Bremen, beispielweise an der Oldenburger Kurve, zu errichten.
Vor 76 Jahren endete mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa. An diesem Tag wurden Deutschland und Europa vom Faschismus befreit. Der Tag markiert das Ende des unmenschlichen Regimes, das diesen Krieg entfesselte, welcher unermessliches Leid nach sich gezogen hatte. Mit der vollständigen Niederlage Deutschlands wurden endlich auch die schrecklichen Menschenrechtsverbrechen des nationalsozialistischen Terrorregimes beendet.
Zur Monstrosität der NS-Verbrechen gehören auch die Millionen nicht-jüdischen Menschen, die der perfiden Vernichtungspolitik der Nazis zum Opfer fielen. Entsprechend der Rassen- und Lebensraumideologie wurden die Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion als „minderwertige Slawen“ und als „Untermenschen“ zu Rechtlosen erklärt, gedemütigt, versklavt und getötet.
Mitten in Bremen wurden in den sogenannten Grambker Lagern tausende sowjetischer Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit gezwungen und Hunger, Kälte und Seuchen ausgesetzt. Eine menschenwürdige und ausreichende Versorgung war nicht vorgesehen. Die Sowjetunion wurde nicht als Kriegspartei betrachtet, der gegenüber das Kriegsvölkerrecht und die Genfer Konventionen zu beachten waren. Das Morden ohne Ahndung wurde ermöglicht. Unter den Augen der Bremer Bevölkerung wurden sie für Straßenarbeiten und in der Rüstungsproduktion u.a. bei den Francke-Werken, der AG Weser, den Focke-Wulf-Werken und den Weserflug-Werken eingesetzt.
Viele hundert sowjetische Kriegsgefangene starben an den Entbehrungen und Torturen, denen sie ausgesetzt waren, oder durch Mord. Bereits im November 1941 wurde in Bremen am Bahndamm in Oslebshausen (Hafenbahn / Reitbrake) in unmittelbarer Nähe zu den Grambker Lagern der sogenannte "Russenfriedhof" auf einer Fläche von knapp 20.000 Quadratmetern eingerichtet, um die Vielzahl der Toten bestatten zu können.
Doch auch in der Nachkriegszeit blieben die verstorbenen sowjetischen Bürger Opfer zweiter Klasse. Wie aktuelle Recherchen von Professor Konrad Elmshäuser (Leiter Staatsarchiv Bremen) ergeben haben, wurden im Mai 1946 alle Gräber von Angehörigen der Vereinten Nationen durch die Bremer Polizei auf alliierte Anweisung hin inspiziert und erfasst. Vermutlich bereits kurz nach der Inspektion wurde der Friedhof, wahrscheinlich auf Veranlassung der Hafenbehörde, mit Sand überspült. Eine noch 1947 im Senat beschlossene Einrichtung eines Ehrenfriedhofs unterblieb aus bislang ungeklärten Gründen. Stattdessen wurden eine Exhumierung und Umbettung der Toten zum Osterholzer Friedhof 1948 vorgenommen. Aufgrund der Überspülung konnten die Gräber kaum wiedergefunden werden, und es konnten nicht alle Toten aufgefunden werden.
Aktuell ist laut Staatsarchiv mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass 280 sowjetische NS-Opfer weiterhin in der Erde der Reitbrake liegen und dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Dieser Umstand wurde hiernach offenbar vertuscht. Professor Elmshäuser beklagt die dünne Quellenlage. Zu erwartende Quellen sind nicht auffindbar. Offenbar wurde die Aufklärung des Sachverhalts über Jahrzehnte unterdrückt. Noch 1992 wurde bei den Planungen für ein Sondermüll-Zwischenlager trotz begründeter Hinweise keine ernsthafte Untersuchung von der Stadt Bremen veranlasst ("Schadstoff-Lager neben Gräbern", Weser-Kurier vom 16.11.1992).
Aufgrund der neuesten Erkenntnisse hat das Grundstück Reitbrake nun entsprechend der internationalen Kriegsgräberabkommen den Status einer Kriegsgräberstätte und damit eines Bodendenkmals ( https://rb.gy/rlcbka, https://rb.gy/g6smum ).
Der Umgang mit dem Gräberfeld sowjetischer Naziopfer ist einer wehrhaften Demokratie unwürdig. Das Festhalten an den Plänen zur Einrichtung einer Bahnwerkstatt auf diesem Grundstück, welches sich im Eigentum der Stadt Bremen befindet, sind vor dem Hintergrund insbesondere des bisherigen Umgangs ethisch und moralisch im höchsten Maße zweifelhaft und pietätlos. Wirtschaftliche Erwägungen der Hafenbehörde zur "In-Wert-Setzung des Grundstücks" verbieten sich vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Grundstücks und des bisherigen Umgangs hiermit durch Verwaltung und Politik.
Die ukrainische und die russische Botschaft beobachten aktuell sehr genau, wie Bremen mit der weiteren Aufarbeitung dieser Fragestellungen umgeht. Erst am 29.04.2021 hat sich die Generalkonsulin der Ukraine, Dr. Iryna Tybinka, hierzu bei Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte erkundigt ( https://rb.gy/mkhz3g ).
Die Stadt Bremen muss achtzig Jahre nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22.06.1941 endlich diesen Teil der Stadtgeschichte transparent und verantwortungsvoll aufarbeiten und einen Weg für ein angemessenes Gedenken an diesem durch schreckliche Kriegsverbrechen belasteten Ort finden.
Die Aufarbeitung der Geschichte des sogenannten „Russenfriedhofs“ erfolgt durch: Prof. Dr. Konrad Elmshäuser (Leiter des Staatsarchivs Bremen), Prof. Dr. Uta Halle (Leiterin Landesarchäologie Bremen)
Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu
c/o Dieter Winge
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Ekkehard Lentz
Sprecher Bremer Friedensforum
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